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Handwerkerhaus aus Bad Windsheim

Stadt

Das 1421-1423 in der Nähe der Spitalkirche erbaute Handwerkerhaus aus Bad Windsheim ist ein früher Stockwerksbau, d. h. Erd- und Obergeschoss sind konstruktiv getrennt. Die asymmetrische Dachform (Frackdach) erklärt sich daraus, dass das Haus zur Straßenseite hin zwei Stockwerke aufweist, auf der Rückseite jedoch nur eines. . Dem thematischen Rahmen des Bauhofes entsprechend, wurde das Handwerkerhaus bewusst als als »Baustelle« mit Gerüst hergerichtet.


Eckdaten

Hausnummer:120
Ursprung:Stadt Bad Windsheim, Landkreis Neustadt a. d. Aisch – Bad Windsheim
Bauepoche:1421-23 (Jahrringdatierung)
Ausstellung:Bauzeit
Konstruktionsmethode:ein- bzw. zweigeschossiger Fachwerkbau, Frackdach mit Hohlziegeldeckung (Mönch- und Nonnenziegel)
Abbau:1980
Aufbau:1998-2000
Baugruppe: Stadt
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Besonderheiten

Zurück zu alten Handwerkstechniken

Oberste Maxime beim Wiederaufbau war, so nahe und genau wie möglich an den erhaltenen Bauteilen, den erhobenen Befunden des Erstzustandes und an den an diesem Bau und durch Untersuchungen an Vergleichsbauten ermittelten historischen Bautechniken zu bleiben. Daraus entwickelte sich eine Art experimentelle Bauforschung, bedenkt man zum Beispiel die wieder angewandte Gipsbautechnik für Ausfachungen, Putz und Estriche oder die nach ausgegrabenen Ziegelfunden in Einzelanfertigung geformten und im rekonstruierten spätmittelalterlichen Ziegelbrennofen gebrannten Hohlziegel.


Beschreibung

Das Haus »kleiner« Leute

Über das Haus, über seine Bewohner und seine Nutzung im Laufe von fast sechs Jahrhunderten ist nur wenig bekannt, immerhin ist eines relativ sicher: die Zuordnung auf städtische Unterschichten. Der älteste Hinweis auf die Hausbewohner findet sich für das Jahr 1724, als ein Nachbarschaftsstreit zwischen dem Zeugmacher (= Tuchmacher) Hellmuth und (dem Hausbewohner) Wendel Drescher in den Akten auftaucht. 1772 wurde das Haus von dem Schreiner Johann Peter Köhler für 253 Gulden gekauft – im Vergleich zu anderen Häusern ein sehr geringer Betrag. 1791 erwarb es um immerhin nun bereits 400 Gulden der Zimmergeselle Thomas Gunkler.

 

Schief und verschoben

Der zur Verfügung stehende Grund und Boden war klein und eng, ein im Winkel verschobenes Rechteck, das vollständig überbaut wurde. Das »Irreguläre«, Ungerade wiederholt sich im Aufriss und Querschnitt des Hauses. Es weist zwei unterschiedlich hohe Wandseiten auf und dementsprechend auch ein asymmetrisches, ungleiches Dach: nach Westen ist es weit heruntergezogen bis auf das Erdgeschoss, nach Osten ist das Dach kürzer, dafür findet sich hier eine hohe, zweistöckige Wand. Tatsächlich sind solche sog. Frackdächer in Franken häufiger zu finden, allerdings meist aus wesentlich jüngeren Zeiten. Mit der Bauzeit 1421–23 stellt dieses Haus das älteste derzeit bekannte Beispiel dar. Der Grund für diese asymmetrische Bauweise ist in der Funktion begründet, denn ausschlaggebend war die Einrichtung einer Oberen Stube, hier im Südosteck, für die nur nach Osten eine durchfensterte Obergeschosswand nötig war.

»Moderne« Konstruktion

Das Erdgeschoss und das nur halb ausgebildete Obergeschoss sind konstruktiv völlig voneinander getrennt, es handelt sich also um die sog. Stockwerksbauweise – im Unterschied zur Säulenbauweise mit über zwei Geschosse durchgehenden Holzsäulen, der typologisch älteren Bauart. Zwar war auch der Stockwerksbau grundsätzlich schon seit dem 14. Jahrhundert bekannt, er setzte sich aber endgültig erst in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts durch. Mit dem Baudatum 1421 ist dieses Gebäude das früheste komplett als Stockwerksbau errichtete Haus in Windsheim, d. h. es war zu seiner Zeit ein »fortschrittlicher« Bau – was umso mehr überrascht, da es sich ja allen anderen Anzeichen nach um ein Haus der unteren Sozialschichten handelt.

 

Historische Bausubstanz

In der Grundanlage blieb das Haus von seiner Bauzeit 1421–23 bis zum Abbau 1980 unverändert. Im Detail freilich hat sich immer wieder etwas getan: Umbauten und Ausbauten waren nötig, zeitgemäße Verschönerungen und technische Neuerungen hielten Einzug, so klein das Haus auch war. Am stärksten hat sich das Erdgeschoss gewandelt und entsprechend fanden sich hier am wenigsten Bauteile aus der Bauzeit. Das Fachwerk des einseitig ausgebildeten Obergeschosses und der Giebel, obwohl später überputzt, haben sich jedoch fast vollständig erhalten. Nur die einstigen hölzernen Bohlenwände wurden später entfernt. Aus dem späten 16. und 17.Jahrhundert sind wesentliche Ausstattungsteile bewahrt geblieben, so die Putze im oberen Flur an Wänden und Decken, die Türverkleidung der Oberen Stube und aus Gips geformte Engelsköpfe sowie ein Löwenkopf an den Wänden.

 

Wiederaufbau im Museum

Erst 20 Jahre nach dem Abbau konnte der Wiederaufbau des Hauses abgeschlossen werden – im rekonstruierten, aber nicht vollendeten Zustand der Bauzeit 1421–23. Vielmehr präsentiert sich das Haus mitten »im Bau«, als inszenierte Baustelle, was naheliegend erscheint; immerhin steht das Haus jetzt im Bereich des Alten Bauhofs der Reichsstadt Windsheim, wo die Bauhandwerker seit Jahrhunderten arbeiteten, wo auch das Thema »Bauen« im Mittelpunkt steht. Hier bildet das Haus das erste translozierte Gebäude der Baugruppe Stadt.


Bilder


Bilder vom Ursprung


Summary (English)

The craftsmen house from Bad Windsheim, that was built near the spital church from 1421 to 1423, did not have to come a long way. It is an early example of jettying, meaning that ground- and upper floor are seperated constructively and seem like they stand on each other. The assymetric roof („Frackdach“) is explained by the fact that the house has two stories on the street side but only one story on the back side. The scaffold was filled in with gypsum, the roof roofed with box tiles („Haken und Breis“). Visible are both original bricks and new ones that were burned in the museum's brickyard after medieval prototypes. The furnishing of the upper floor with the plank-parlor, the angel and lion heads of gypsum and the plaster in the hallway originates in the late 16th and 17th century. Matching the thematic frame of the builder's yard, the craftsmen house was consciously erected as a building site to show historic building techniques of the Middle Ages on original parts and findings. Among them are the gypsum-cast of the partitions, the erection of clay walls, several arts of infills, the use of plaster and screed and the roofing. The techniques are illsutrated on the inside of the house with the oldest depictions of craft of the „Mendelsche Zwölfbrüderstiftung“ from Nuremberg, which date back exactly to the building time of the house.


Zugänglichkeit

Insgesamt:Note: 3

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