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Das Objekt des Monats

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Schön ist das Schweigen während der Gebete

Dieses Monatsobjekt ist für das Fränkische Freilandmuseum „von Gewicht“. Einmal ist es der erste historische Gegenstand in unserem Sammlungsbestand aus der Geschichte des fränkischen Landjudentums.

Das Gefach war Teil einer Fachwerkwand. Auf dem Gefach ist ein kurzer Text. Der Text ist in hebräischen Buchstaben geschrieben. Um den Text sind Verizerungen.

Die hebräische Inschrift im Gefach aus der ehemaligen Judenschule in Fürstenforst bei Burghaslach. Inv.nr. 21/277; im Museum seit 2021; Spende von Heinz Borstner. (Foto: Markus Rodenberg)

Das Gefach ist von Holzbalken gerahmt. Die Inschrift ist im oberen Bereich.

Das Gefach kurz nach dem ersten Auspacken im Freilandmuseum. Es war bei den Sanierungsarbeiten sorgfältig mitsamt der rahmenden Hölzer herausgenommen und anschließend verschalt eingelagert worden. Die neuen Bretter links dienten der Stabilisierung des Gesamtpakets. (Foto: Markus Rodenberg)

Zum anderen handelt es sich um ein gewichtiges Bauteil, nämlich um ein ganzes Gefach. Es gelangte als Schenkung aus Fürstenforst (Burghaslach) zu uns, wo im 18./19. Jahrhundert eine kleine jüdische Gemeinde existierte. Dort hat man es aus dem Dachgeschoss der ehemaligen Judenschule entnommen, die in jüngster Zeit saniert wurde.

Das Gefach ist ausgefacht mit Stickscheiten, Lehm und Stroh und wurde mit Kalk verputzt. Darauf ist eine hebräische Inschrift zu lesen, die zu ihrer Hervorhebung noch mit farbig schablonierten Ornamenten umrahmt wurde. Sie bedeutet übersetzt: "Schön ist das Schweigen während der Gebete“.

Über die Bedeutung der Inschrift ist uns wenig bekannt, weswegen wir gegenwärtig nur spekulieren können. Zuerst könnte sie ein Hinweis auf einen ehemaligen Betraum sein. Daraus ergäbe sich die Möglichkeit, dass die "Judenschule" einst die Synagoge mit Betsaal, Schule und Wohnung eines Lehrers bzw. Vorbeters gewesen ist.

Auffällig ist außerdem ihr disziplinierender Charakter, der einen weiteren Zusammenhang plausibel macht: In Franken waren seit Beginn des 19. Jahrhunderts jüdische Reformer, mehrheitlich liberal gesinnte Rabbiner, unterwegs mit dem Ziel, traditionelle oder lokal geprägte Religionspraktiken zu reformieren.  Zentrales Anliegen war ihnen die einheitliche Reformierung des jüdischen Gottesdienstes, den sie als „würdelos“ empfanden. Stattdessen strebten sie nach einem Gottesdienst, der in ihren Augen die Spiritualität einer Gemeinde förderte.

Die Synagoge bestimmten sie zum einzigen angemessenen liturgischen Raum, in dem man sich entsprechend zu benehmen hatte. So versuchten sie, neue Verhaltensregeln einzuführen oder Eingriffe in die örtlichen Riten und Bräuche vorzunehmen. Darunter fielen Kleiderordnungen, eine veränderte Abfolge der Gebete oder eben die Regulierung der Lautstärke auf ein Minimum. In manchen Synagogen wurde zu dieser Zeit ein reger Austausch gepflegt, der aus Sicht der Reformer einer Versenkung in die Gebete abträglich war.   

Je nach Selbstverständnis – und Selbstbewusstsein – der jeweiligen Gemeinde oder des örtlichen Rabbiners konnten die Reformversuche aber gewaltig nach hinten losgehen. Mancherorts arteten die Streitigkeiten um geliebte lokale Traditionen in Handgreiflichkeiten aus oder es wurden Strafen verhängt.

Ob und wer unter Umständen dem Gottesdienst in Fürstenforst zu mehr „Würde“ verhelfen wollte, bleibt zu untersuchen. Die obige Inschrift lässt jedenfalls vermuten, dass die Auffassungen, wie ein Gottesdienst zu gestalten ist, auseinandergingen. Jetzt wird erstmal geschwiegen, bis wir mehr wissen.

 

Quellen:

Wenzel Maximilian Widenka: „Sehet, da kommen Schakale, den Weinberg zu zerstören, den Weinberg Israels“. Emanzipation und Konfessionalisierung im fränkischen Landjudentum in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (= Schriften aus der Fakultät Geistes- und Kulturwissenschaften der Otto-Friedrich-Universität Bamberg 30). Diss. Bamberg 2019.

Alemannia Judaica: https://www.alemannia-judaica.de/fuerstenforst_synagoge.htm