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Zur Sache! Neues aus der Sammlung

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„Mitunter war es so heiß, dass es einem die Ohren versengt hat“

Übernahme einer Ziegelpresse aus der ehemaligen Ziegelei in Wollbach (Lkr. Rhön-Grabfeld)

Die Ziegel werden in einem großen Ofen gebrannt. Sie trocknen in Regalen. Geformt werden sie in einer Werkstatt.

Die Ziegelei in Wollbach in den 1950er Jahren. Eine beschriftete Version ist im Text verlinkt. (Foto: Privatbestand Robert Härder / Jolanthe Wald)

Der Ziegelofen wird abgebaut. Oben wurden die Ziegel eingelagert. Unten wurde das Feuer gemacht.

Der Ziegelbrennofen beim Abbruch in den frühen 1960er Jahren. Oben sieht man die Brennkammern, unten die Zugänge zu den Feuerstellen. (Foto: Privatbestand Robert Härder / Jolanthe Wald)

Der Ziegler erklärt eine Ziegelpresse.

Robert Härder (1924-2020) erläutert die Firstziegelpresse, November 2019. (Foto: Markus Rodenberg)

Die Ziegelpresse wird mit einem Kran auf einen Lastwagen geladen.

Abholung der Ziegelpresse im November 2020: Uwe Hufnagel, Mitarbeiter im Betriebsbauhof des Freilandmuseums, lädt sie auf den LKW. (Foto: Markus Rodenberg)

Die Ziegelpresse steht in der Ziegelei des Museums.

Angekommen: Die Firstziegelpresse an ihrem neuen Platz in der Museumsziegelei. Ihre Technik ist einfach, aber raffiniert: Sie kann von Hand oder per Transmission angetrieben werden. Die Kurbel dreht sich immer in dieselbe Richtung - eine Kurbelwelle sorgt dafür, dass die obere Ziegelform sich im Wechsel hebt und senkt. Bei Transmissionsbetrieb kann die Bewegung per Kupplung ein- und ausgeschaltet werden. Die untere Ziegelform wird nach dem Pressen nach vorne gekippt und mit einer Drehbewegung geleert, während die Presse bereits den nächsten Ziegel bearbeitet. An der Maschine haben zwei Personen gearbeitet, die sich gegenüber standen. (Foto: Markus Rodenberg)

2019 erhielt das Fränkische Freilandmuseum ein interessantes Angebot: Die Übernahme von Ziegeleimaschinen, vor allem Pressen, aus dem frühen 20. Jahrhundert. Sie standen noch immer in einem kleinen Werkstattgebäude auf dem ehemaligen Ziegeleigelände in Wollbach. Dass der einstige Ziegler Robert Härder, zu dieser Zeit ein rüstiger Mann von 95 Jahren, noch lebte und zu einem Interview bereit war, machte die Sache umso interessanter. Auch Bilder und verschiedene Unterlagen sollten noch vorhanden sein.

An einem kalten und nassen Novembertag machte ich mich auf den Weg nach Wollbach. Das ehemalige Gelände der Ziegelei war nicht zu verfehlen, da es etwas südlich des Dorfes an der Straße in Richtung Bad Neustadt a. d. Saale liegt. Hier steht auch Härders Wohnhaus. Nach einem freundlichen Empfang durch seine Tochter und seinen Schwiegersohn konnte ich mich mit ihm zusammensetzen und erlebte im Gespräch einen wachen, humorvollen Geist, der ausführlich von der Geschichte der Ziegelei und der zugehörigen Sandgrube berichtete.

„Die Ziegelei war unheimlich anstrengend“

Nach seiner Erinnerung gründete sein Vater Pankraz Härder den Betrieb in den Jahren 1922/23. Er erwarb eine gebrauchte Strangpresse nebst Walzwerk zur Herstellung von Mauersteinen, Pressen für First- und Doppelmuldenfalzziegel, eine Dampfmaschine und andere Gerätschaften, die wohl um 1900/1910 hergestellt worden waren. In der zweiten Hälfte der 1930er Jahre ersetzte er die Dampfkraft durch einen Dieselmotor. Neben der Werkstatt bestand die Ziegelei aus einem großen Ofengebäude und Trockenregalen (vgl. Bild). Ansonsten betrieb Pankraz Härder in unmittelbarer Nachbarschaft der Ziegelei eine Sand- und Lehmgrube, aus der er auch das Ausgangsmaterial für die Ziegelfertigung förderte. Der Lehm wurde in einer Sumpfgrube vorbereitet.

Der Zweite Weltkrieg änderte die Bedingungen. Pankraz Härder wurde dazu verpflichtet, im Siemens-Werk im benachbarten Neustadt zu arbeiten, die Ziegelei wurde verpachtet. Sein Sohn Robert (*1924) war bei der Luftwaffe im Einsatz, geriet in Kriegsgefangenschaft und kehrte erst 1948 wieder nach Wollbach zurück. Sein Bruder hatte inzwischen die Sandgrube übernommen, wo nun auch er einstieg, obwohl er eigentlich gelernter Maschinenschlosser war. Zusammen modernisierten sie den Betrieb, u. a. mit der Anschaffung von zwei Eimerkettenbaggern, die sich heute im Eigentum der Feldbahnmuseen in Leipzig und Frankfurt befinden.

Der Vater blieb bei Siemens, die Pacht der Ziegelei lief derweil aus. 1953 übernahm Robert Härder die Ziegelei. Seine große Leidenschaft war das nicht: „Die Ziegelei war unheimlich anstrengend. Aber war halt nichts anderes. Man musste ja irgendwie auch Geld verdienen. Und das war dann halt da und dann habe ich halt weitergemacht. Ich wäre, ganz offen gesagt, lieber in meinem Beruf geblieben als Maschinenschlosser.

Produziert wurden in erster Linie einfache Ziegelsteine sowie Gittersteine (Hochlochsteine), in kleinerer Stückzahl Dachziegel im Doppelmuldenfalz-Format sowie Firstziegel. Härders Vater hatte sich bereits an der Fertigung von Strangfalzziegeln versucht, was sich aber nicht ganz umsetzen ließ. In den beiden Zweikammeröfen konnten pro Kampagne 10.000 Ziegelsteine und 1.000 bis 1.500 Dachziegel gebrannt werden. Die Dachziegel wurden in der Mitte des Ofens aufgeschichtet: „In der ersten Reihe vorne, wo das Hauptfeuer war, war es zu gefährlich für die Dachziegel, weil sie sich verformt haben. Und in der Mitte war es hundertprozentig. Das Ende war wieder schlecht, weil zum Schluss war die Temperatur nicht mehr so hoch war, dass gute Ziegel rauskamen.

Besonderes die Arbeit am Ofen, die die beiden Brüder im Alleingang leisten mussten, war belastend. „Ich bin früh um 6 Uhr in die Ziegelhütte rein, wenn wir gebrannt haben, dann haben wir das so gelöst, dass wir Freitag den Ofen angeschürt haben und übers Wochenende gebrannt haben, praktisch wo keine Arbeiter da waren auch. Mein Bruder und ich haben uns dann geteilt: Ich habe zwölf Stunden gemacht und der hat zwölf Stunden gemacht. Bin früh um 7 Uhr in die Grube und nachts um halb 1 bin ich heim, und früh um 7 bin ich wieder raus, am Wochenende. Und schwerste Arbeit war ja das Ausfahren von den Ziegeln, den Ofen ausräumen, das war ja immer noch heiß. Mitunter war es so heiß, dass es einem die Ohren versengt hat.

Verkauft wurden die Ziegel vor allem an Baufirmen und private Bauherren aus der Umgebung. So belieferte man beispielsweise die Baustellen der Gartenstadt-Siedlung bei Neustadt. In den 1930er Jahren kamen aber auch in weiterer Entfernung Wollbacher Ziegel zum Einsatz: Auf dem Truppenübungsplatz Wildflecken in der südlichen Rhön sowie beim Bau des Reichsparteitagsgeländes in Nürnberg.

Betriebsaufgabe nach rund 35 Jahren

1958 wurde der Betrieb der Ziegelei eingestellt. Hauptgrund war, dass die Arbeitskräfte fehlten: „Wir hatten ja nur Saisonarbeiter, von April bis Oktober, dann war es ja fertig – wir hatten ja nur eine Lufttrocknerei gehabt, also mussten wir aufhören wegen Frost. Und dann hat uns eben die Industrie die ganzen Leute abgeworben“ – mit stabilen, ganzjährigen Arbeitsverhältnissen. Ein anderer Grund war die Konkurrenz: „Dann gab es bei uns außenrum so in der Nähe viele Ziegeleien schon, und die haben Ringöfen gebaut und künstliche Trocknereien“, und konnten daher länger und günstiger produzieren.

Die Sandgrube blieb noch weiter in Betrieb – das Geschäft war lukrativ, der Sand war u. a. beim Bau von Flurbereinigungswegen gefragt, zumindest bis sich auch hier der Asphalt durchsetzte. Die Ziegelei wurde, abgesehen vom Werkstattgebäude, abgetragen. Wo einst der Ofen stand, befindet sich seit 1965 Robert Härders Wohnhaus.

Übernahme einer Firstziegelpresse – und leider kein weiteres Gespräch mehr

Nach dem Interview und der ersten Sichtung der Presse hatte ich eigentlich vor, noch ein Expertengespräch mit Herrn Härder führen zu lassen und aufzuzeichnen. Die Fachfragen sollten diesmal unsere Museumsziegler Heiko Pfundt und Manfred Klewer stellen, die sich dadurch noch ein paar Anregungen für den eigenen Betrieb erhofften. Dazu kam es leider nicht – zunächst wurde das Gespräch wegen des Corona-Risikos geschoben, dann erkrankte Robert Härder schwer. Er konnte sich nicht mehr erholen und verstarb im Herbst 2020. Bis zuletzt freute er sich darüber, dass die Geschichte seiner Ziegelei im Freilandmuseum zumindest in kleinerem Umfang erhalten bleibt. Das Anwesen wurde inzwischen verkauft.

Aus Kapazitätsgründen haben wir von den Ziegeleimaschinen nur die Firstziegelpresse abgeholt, die Robert Härder bei meinem ersten Besuch noch selbst vorgestellt und erläutert hat. Wir haben sie direkt in unserer Museumsziegelei aufgestellt: Während dort bislang fast ausschließlich der vorindustrielle Ziegeleibetrieb gezeigt wird, gibt die Presse nun einen Ausblick in die industrielle Fertigung moderner Ziegelformate. Sie kann per Transmission oder von Hand bedient werden – wir haben vor, sie auszuprobieren und eventuell auch vorzuführen.

Herzlicher Dank gebührt auch Robert Härders Tochter Jolanthe Wald, ihrem Ehemann Johannes Wald sowie seiner Enkelin Veronika Wald.