Aus dem Nähkästchen geplaudert ...
… betrifft oft etwas Geheimes. Umgangssprachlich gedeutet meint diese Redewendung „anderen Einblick in Vertrauliches oder persönliche Geheimnisse geben“. Sie verweist auf eine Zeit, in der Frauen viel nähten und geheime Dinge oftmals in ihrem Nähkästchen verbargen. Ein solches gehörte zu den Dingen im Haushalt, deren Gebrauch der Hausfrau vorbehalten blieb. Bei Bessergestellten ersetzte oft der Nähtisch das Nähkästchen.
Demnach war das Nähen früher mitunter eine sehr persönliche Sache. Beim gemeinsamen Handarbeiten teilte man wohl auch die eine oder andere Heimlichkeit miteinander. Inhaltlich ähnlich ist die ältere, parallel entwickelte Redensart „aus der Schule plaudern“. Sie drückt aus „von Dingen zu reden, die eigentlich Geheimnisse eines bestimmten Kreises sind“ und ist in anderen europäischen Sprachen nach wie vor verbreitet.
Buchstäblich aus dem Nähkästchen plaudert ein kleines, anonym in die Obhut des Museums gegebenes Weidenkörbchen voller verschiedener Näh-Utensilien und anderer kleiner Gegenstände: Ein selbstgenähtes Nadelkissen, an dem eine Porzellanfigur vom Winterhilfswerk (WHW) steckt; ein kleines Märchenbuch „Unterm Märchenbaum“ aus der Reihe Gustav Kühn’s Jugendschriften; Monogramm-Schablonen mit den Initialen „MB“ zur Kennzeichnung der Weißwäsche und Aussteuer von der Schablonenfabrik & Garn-Großhandlung Johann Merkenthaler in Nürnberg; Stickvorlagen für die Aussteuer; ein Spulen-Kästchen aus Blech.
Sehr persönlich ist das handkolorierte Foto eines Infanteristen in der Friedensuniform des Königlich Bayerischen 12. Infanterie-Regiments „Prinz Arnulf“ aus der Zeit um 1900. Zwei Damenscheren ähneln in ihrer Ausgestaltung dem Modell Nr. 1528, einer „Damenschere aus prima Stahl, mit verzierten, vergoldeten Griffen, Länge 13 cm, Stück 55 Pf.“ (das entspricht heute ca. 3,50 €) auf Seite 80 im „Illustrierten Hauptkatalog August Stukenbrok Einbeck von 1912“. Die leere Schachtel „welt hölzer“ ist aus den 1970er Jahren.
Des Weiteren findet sich ein Mini-Schafkopfblatt im Format 26 x 35 Millimeter in einer Zigarettendose aus Bakelit – ein deutsches Blatt, bei dem der Gras-Ober als Jäger dargestellt ist. Das inspiriert zu der Vermutung, dass man nach ausgetauschten Vertraulichkeiten das „Stillschweigen“ darüber bei einer Schafkopfrunde besiegelt hat. Vor diesem Hintergrund passt es nur zu gut in das Nähkästchen – aber ob es tatsächlich zum ursprünglichen Inhalt gehört ist fraglich.
Während das Körbchen selbst in die 1950er Jahre datieren könnte (zumindest verwendeten Schülerinnen diese Art im Handarbeitsunterricht), verweisen die darin gesammelten Dinge in die Zeit um 1900 bis zum Ende des 20. Jahrhunderts. Leider lässt sich nicht rekonstruieren, ob es sich ursprünglich um ein Nähkästchen handelte und was folglich zur einstigen Ausstattung gehörte – oder ob es sich um eine Zusammenstellung einzelner Fundstücke handelt.
Die persönlichen Hintergründe der Dinge bleiben uns somit verborgen. Als einzelne Sachzeugnisse dagegen können sie wiederum Auskunft über die jeweilige Zeit geben, in die sie datieren. So bleicht manches Geheimnis in der Geschichte verborgen. Und das darf sein.