Die steirische Adelige Cordula von Pranckh - ein Frauenschicksal im 17. Jahrhundert
Es ist vollbracht... die Ausstellung "Evangelische Migrationsgeschichte(n) - Zuwanderer in Franken im 17. Jahrhundert" ist eröffnet und kann bis zum Juni 2024 besichtigt werden. Ein sehr wichtiger Bestandteil der Ausstellung sind die 16 Migrationsgeschichten von Menschen, die aus ihrer Heimat flüchten mussten und bei uns in Franken ein neues Leben begannen.
Während der Zeit des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) entwickelte sich Nürnberg zum Anziehungspunkt für österreichische Exulanten, d.h. für Angehörige des protestantischen Glaubens, die im Zuge gegenreformatorischer Bestrebungen der habsburgischen Regierung ihre Heimat verlassen mussten. Besonders Angehörige des Adels und Bürgertums konnten hier dank einer restriktiven Zuwanderungspolitik die Chance ergreifen, sich niederzulassen.
Cordula von Pranckh (1584–1640) war eine derjenigen, die in der oberdeutschen Reichsstadt mit der Hoffnung ankamen, standesgemäß und in religiöser Freiheit leben zu können. Aufgewachsen war sie als Tochter eines der blühenden steirischen Adelsgeschlechter in einem seit Generationen protestantisch geprägten Umfeld, da sich das Haus von Pranckh nach der Reformation wie nahezu der gesamte grundbesitzende Adel der neuen Bewegung angeschlossen hatte. Mit ihrer Ausreise aus der Steiermark folgte sie einem kaiserlichen Generalmandat, das am 1. August 1628 die Ausweisung der protestantischen Herren- und Ritterstandsangehörigen angeordnet hatte. Nach Geistlichen, Bauern und Bürgern musste sich nun auch der ständische Adel der innerösterreichischen Erblande binnen eines Jahres zwischen dem Übertritt zum Katholizismus oder dem Weg ins Exil entscheiden. Längst war das religiöse Leben des Landes einer permanenten Bedrohung ausgesetzt: der Vertreibung von evangelischen Predigern und Schuldienern hatte sich die Schließung oder Sprengung vieler Kirchen, die Zerstörung von Friedhöfen, die Verbrennung lutherischen Schriftguts angeschlossen.
Über Salzburg führte der Weg Cordula von Pranckhs 1628 nach Nürnberg, wo sie bis 1635 lebte. Bemerkenswertes Zeugnis dieser Jahre legen 24 Briefe ab, die sie in die alte Heimat an ihre Schwester Sidonia Grimming, geb. von Pranckh und ihren Schwager Hans Karl Grimming schickte. Darin zeichnet sie in stoansteirischem Dialekt sowohl ein bedrückendes Bild ihrer persönlichen Lebensumstände als auch der Verhältnisse in der Reichsstadt in Zeiten des Dreißigjährigen Krieges.
Materielle Not und emotionale Verlorenheit kennzeichneten das Dasein der alleinstehenden Frau im Exil. Im Gegensatz zu anderen Exulanten ihres Standes blieb Cordula von Pranckh ein repräsentatives Leben mit Realitätenbesitz, Dienerschaft und einem standesgemäßen Lebensstil verwehrt. Aus der Ferne gelang es ihr kaum, finanzielle Ansprüche an ihre Geschwister und andere Schuldner, deren Zahlungsmoral sich als äußerst mangelhaft erwies, geltend zu machen. Ihr Wunsch, in die Heimat zurückzukehren, um ausstehende Geldtransfers in die Wege zu leiten, zerschlug sich dank der für sie unerschwinglichen Reise und bürokratischer Hürden.
Mit steigenden Lebenshaltungskosten geriet sie in eine finanziell immer ausweglosere Situation und musste, auch weil sie nur über geringe Bargeldreserven verfügte, ein von Entbehrungen gekennzeichnetes Leben führen. Aus dem Haushalt von Bekannten, bei denen sie zunächst untergekommen war, hatte sie sich gelöst. Immer wieder beklagt sie in ihren Briefen ihre existentiell bedrohliche Lage, die sie sehr traurig stimmte. Sie lebte von milden Gaben und verschaffte sich ein Zubrot durch kleine Handarbeiten. Steirische Armeleutegerichte führten gepaart mit einem drängenden Heimweh zu einem völligen Verfall ihrer körperlichen und seelischen Kräfte. Einzig der Glaube bot ihr Trost und Erklärungsmuster angesichts ihres persönliches Schicksals und der Ereignisse des Dreißigjährigen Krieges, die den Ort ihrer Zuflucht bedrohten. Als Augenzeugin beschreibt sie die vom Militär verübten grausamen Brandschatzungen vor den Mauern der Stadt, die sie als göttliche Strafe für ein lasterhaftes Leben sieht, in dem Tag und Nacht getanzt und gesoffen wurde und keine Ermahnung die Menschen zur Umkehr gebracht habe. Ihre Stimmung war an einem Tiefpunkt angekommen, als sie im Herbst 1632 die Hoffnung aussprach, die elende Welt durch Gottes Hilfe verlassen zu dürfen.
Über die letzten Lebensjahre und das Los der Cordula von Pranckh nach 1635, hier enden ihre Briefe, ist nichts bekannt. Einer ihrer größten Schuldner hatte nun endlich das von ihr angeforderte Geld bezahlt, so dass sich ihre finanzielle Situation entspannte. Für das Jahr 1640 ist ihr Ableben in Regensburg überliefert. Den Schmerz, ihren in der Heimat zurückgebliebenen Lieben in diesem Leben nicht mehr begegnen zu können, hatte sie längst in Gottes Hand gelegt. Sie hoffte auf ein Wiedersehen im Himmel.
Literatur:
Leeb, Rudolf / Susanne Claudine Pils / Thomas Winkelbauer (Hg.): Staatsmacht und Seelenheil. Gegenreformation und Geheimprotestantismus in der Habsburgermonarchie. Wien / München 2007
Loserth, Johann (Hg.): Zur Emigration des steiermärkischen Herren- und Ritterstandes. Vierundzwanzig Briefe der Cordula Freijin von Pranckh, in: Beiträge zur Erforschung steirischer Geschichte 41 (1918)
Schnabel, Werner Wilhelm: Österreichische Exulanten in oberdeutschen Reichsstädten. Zur Migration von Führungsschichten im 17. Jahrhundert. München 1992