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Ein Geschenk an den Feind?

Die Schachteln sind braun und teilweise bemalt. Auf ihnen befinden sich Muster aus Stroh.

Vorbesitzer: Hermann Göß (Gallmersgarten); Inventarnr. 20/5.

Zum Zeitvertreib und um ihre Erlebnisse zu verarbeiten, kamen Kriegsgefangene auf verschiedenste Ideen. So fertigten russische Soldaten in einem Barackenlager in Steinach bei Rothenburg (Lkr. Neustadt a. d. Aisch – Bad Windsheim) während des Zweiten Weltkriegs diese Holzschachteln mit Strohintarsien. Dabei handelte es sich um nichts, was in Gefangenschaft von besonderem Nutzen sein könnte, sondern schlichtweg um Ziergegenstände, noch dazu mit aufwendiger Gestaltung. Die Schachteln waren ein Geschenk an Ludwig Göß, der im Lager als Soldat Wachdienst hatte. Wie kam es dazu, dass Gefangene einen feindlichen Wachposten beschenkten?

Ludwig Göß‘ Sohn Hermann erzählt dazu folgende Geschichte: Nach einem Diebstahl zwang der Lagerkommandant eine Gruppe Gefangener, draußen im Schnee zu frieren, um so den Dieb ausfindig zu machen. Wäre dieser identifiziert worden, wäre er sicher mit dem Tod bestraft worden. Ludwig Göß jedoch hatte Mitleid mit den frierenden Gefangenen und ließ sie wieder in die Baracke zurück.

Der Kommandant drohte daraufhin, Ludwig Göß wegen Befehlsverweigerung vor Gericht zu bringen, wozu es allerdings nicht mehr kam. Nach Kriegsende wurden die Gefangenen freigelassen und schenkten Göß‘ Familie aus Dankbarkeit die verzierten Schachteln. Mit einem der Gefangenen, der im Lager die Rolle des Dolmetschers übernommen hatte, verband Ludwig Göß ein besonders freundschaftliches Verhältnis. Die kleinen Holzgeschenke zeugen von menschlichen Augenblicken in einer unmenschlichen Zeit.