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Exulant kauft Aumühle! - evangelischer Müller aus dem Waldviertel baut das marode Gebäude wieder auf

So könnte eine Schlagzeile im Jahre 1661 gelautet haben...

Die Aumühle, Öl auf Leinwand, Mitte 18. Jahrhundert, Privatbesitz.

Grabstein des Hans Schrenck an der Pfarrkirche St. Lambertus in Ansbach-Eyb

Die Aumühle im Fränkischen Freilandmuseum

Abendmahlskanne 1698, Zinn, gestiftet von Hans Caspar Schrenck, Leihgabe: evang.-luth. Kirchengemeinde Ansbach-Eyb.

In der Reihe "Evangelische Migrationsgeschichte(n)" haben wir euch bereits mehrere Personen vorgestellt, die im 17. Jahrhundert aus Glaubensgründen ihre Heimat Frankreich oder Österreich verlassen haben bzw. mussten. Hier kommt nun eine ganz besondere Erfolgsgeschichte mit einem Happy End im Fränkischen Freilandmuseum.

Es geht um Johannes (Hans) Schrenck - ein Müllerssohn aus Niederösterreich, der sich in der neuen Heimat Franken etwas aufbauen konnte und so den Grundstock für eine 300jährige Familientradition legte. Von ihm ist uns eine Leichenpredigt überliefert - ein großer Glücksfall -, in der sein Lebenslauf akkurat vom Pfarrer niedergeschrieben wurde. Aus dieser Predigt stammen alle folgenden Zitate.

Hans Schrenck wurde am 20. September 1634 auf der Furtmühle in der Pfarrei Brand im Waldviertel geboren. Sein Vater Elias Schrenck war dort Müller. Die Mutter Barbara wird nur kurz erwähnt, Hans verlor sie bereits mit 9 Jahren. Getauft wurde er in Brand und sein Patenonkel hieß Hans Holtzinger, ein Metzger aus Grünbach. Von ihm bekam er den Namen Johannes oder kurz Hans. Der Beruf des Müllers war in der damaligen Zeit meist mit materiellem Reichtum und sozialer Anerkennung verbunden  und so konnte es sich die Familie leisten, für den einzigen Sohn einen eigenen Lehrer anzustellen und ihn auf drei verschiedene Schulen zu schicken. Der Lehrer brachte ihm Lesen und Schreiben bei und in den Schulen lernte er das Rechnen und die evangelisch-lutherische Lehre kennen. Auch brachte sein Vater ihm von klein auf das Mühlenhandwerk bei.

Seine Eltern - mittlerweile muss der Vater wieder geheiratet haben, denn es ist von einer Stiefmutter die Rede – brachten ihn mit 13 Jahren zu seiner Konfirmation, seinem ersten Hl. Abendmahl. Da aber „an ihrem Ort die päpstliche Religion im Schwang ging“, musste Hans zusammen mit seinen Eltern und seinen zwei Schwestern dafür bis nach Preßburg reisen. „23 Meilen Wegs“ mussten überwunden werden, vorbei an Wien, an der Donau entlang bis nach Preßburg, der Hauptstadt des Königreiches Ungarn. Preßburg besaß in dieser Zeit eine prosperierende evangelische Kirchengemeinde mit evangelischen Pfarrherren und der evangelisch-lutherische Glaube wurde von den Stadträten gefördert. Damit wurde die Stadt zum Anlaufpunkt vieler evangelisch-gesinnter Menschen aus Niederösterreich, die dort zum Abendmahl gingen und sich evangelisch trauen und taufen lassen konnten.

1652 werden sein Vater, seine Stiefmutter und seine zwei Schwestern im Verzeichnis der Neubekehrten im Waldviertel aufgeführt. Seine ganze Familie hatte also die römisch-katholische Religion angenommen. Hans Schrenck hat „sich doch nicht dazu wollen zwingen lassen“ und verließ sein Vaterhaus, seine Heimat, seine Freunde und Familie und ging in ein anderes Land. 

Doch Hans Schrenck verließ nicht einfach nur das Land, sondern er ging auch auf die Walz, seinem „wohlerlernten Mühlwerk nach“. Zuerst zog es ihn in den Elsaß, nach Straßburg und danach landete er in Cannstatt im Württemberger Land. Überall bekam er Arbeit als Müllerknecht oder Müllergeselle und konnte so die Kenntnisse in seinem Handwerk immer weiter perfektionieren. 1654 schließlich erreichte er das Markgrafentum Brandenburg-Ansbach und kam in Brunst bei einem Vetter unter. Als er nacheinander Arbeit auf der Voggenmühle in Ansbach, auf einer Bruckmühle und auf der Feßmühle bei Weihenzell fand, konnte er jeweils dort wohnen.

1658 starb der Müllermeister Jörg Fischer, der die Voggenmühle in Ansbach gepachtet hatte. Die Witwe Fischer bat Hans Schrenck, zur Voggenmühle zurück zu kommen und indem er wieder für sie arbeitete, sorgte er dafür, dass sie dort noch ein Jahr bleiben konnte. Nach Abgabe der Pacht kaufte sich die Witwe Fischer ein Haus in der oberen Vorstadt von Ansbach und betrieb dort eine Mehlhandlung. Hans Schrenck ging mit ihr, denn die beiden waren mittlerweile verlobt. Am 28. Februar 1659 wurde Hochzeit gefeiert, in der Leichenpredigt wird sogar aufgeführt, dass „die Mahlzeit aber beim blauen Wolf gehalten“ wurde. Mit der 18 Jahre älteren Witwe Anna Fischer, geb. Hertlein, war Hans Schrenck insgesamt „32 Jahre lang weniger 17 Tage“ verheiratet. Anna Schrenck hatte fast von Geburt an die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges miterleben müssen. Mit jungen Jahren musste sie von Hirschbronn, ihrem Heimatort, fliehen und sich verschiedentlich als Magd verdingen. Sie brachte aus ihrer ersten Ehe mit dem Bestandsmüller Jörg Fischer vier Kinder mit. Hans und Anna Schrenck hatten zusammen einen Sohn, Hans (Johannes) Caspar Schrenck. Zwei Jahre lang wohnte die Familie in dem Haus in Ansbach und führte dort die Mehlhandlung.

1661 hatten die Schrencks genug Geld gesammelt, um sich endlich eine eigene Mühle zu kaufen. Die fanden sie nicht weit weg in Eyb, die so genannte Aumühle an der Rezat. Diese war „aber sehr in Abnahme gekommen“ und hat „eher einer Brandstütze als einer erbauten Mühle gleichgesehen“. Wohl ein typisches von den Schäden des Dreißigjährigen Krieges gezeichnetes Anwesen. Die Familie musste also erst einmal noch mehr Geld in den Aufbau hineinstecken. Hans Schrenck begann 1662 damit, das Dach zu reparieren, weitere Umbauarbeiten wie z. B. die Umwandlung des Fachwerks in Massivbauweise folgten und erst im Jahr 1679 war die Mühle wieder soweit hergestellt. Jedenfalls deutet darauf ein Inschriftstein mit den Initialen H. S. hin. Die Schrencks mussten in dieser Zeit sehr sparsam sein, so war es „anfänglich mit der Nahrung schmal hergegangen und hat es ihn [Hans] genug blutsauer werden lassen bis er das Mühlwerk in Aufnahme gebracht hat“.

Sobald die Mühle aber lief und Hans Schrenck als vollwertiger Müllermeister arbeiten konnte, ging es aufwärts, das zeigt auch die Einsetzung in das Amt des Wassergrafen bereits im Jahre 1668. Seine viel ältere Frau unterstützte ihn fleißig bis sie im Jahr 1691 an „Wassersucht“ erkrankte und schließlich einen Schlaganfall erlitt. In genau diesem Jahr übergab Hans Schrenck die Aumühle und seine Geschäfte an seinen Sohn Hans Caspar. Er wohnte weiterhin in der Aumühle und konnte noch miterleben wie fünf seiner Enkel aufwuchsen, darunter auch Lorenz Caspar Schrenck, der nach seinem Vater und Großvater die Aumühle als Müllermeister und Wassergraf weiterführte. Nach der Übergabe an den Sohn arbeitete Hans Schrenck weiter, feierte wenig und trug weiterhin Sorge für seine Mühle, die zu seinem Vermächtnis wurde.

1698 verstarb Hans Schrenck mit 63 Jahren im Kreise seiner Familie. Er galt als nachbarschaftlich, den Menschen hilfreich zugewandt und als mildtätig gegenüber den Armen der Gesellschaft. Ebenso als gottesfürchtig, „wie solches absonderlich die obgedachte Verlassung seines päpstlichen Vaterlandes zur Genüge bezeugt“. Der Müllerssohn aus dem Waldviertel in Niederösterreich fasste in Mittelfranken Fuß und konnte sich durch seine Schulbildung und seine vielfältigen Berufserfahrungen ein gutes Leben und damit auch eine hilfreiche Grundlage für seine Nachkommen aufbauen. Er heiratete eine Einheimische und gründete mit ihr eine Müllersdynastie, die von 1661 bis 1961 ununterbrochen auf der Aumühle das Handwerk ausübte. Die Familie Schrenck blieb auch darüber hinaus noch im Besitz des Gebäudes, bis die Aumühle schließlich im Jahr 1987 in das Fränkische Freilandmuseum in Bad Windsheim transloziert wurde. Seit 1990 beherbergt die Aumühle dort die Museumsverwaltung.

Im Fränkischen Freilandmuseum wird durch den Erhalt des Gebäudes das Schicksal von Hans Schrenck weitererzählt und damit für zukünftige Generationen bewahrt. Auch diese Geschichte findet ihr in unserer Sonderausstellung, die noch bis zum 15. September 2024 zu sehen ist. Dort kann man auch einen Abzug der Leichenpredigt sowie eine für Hans Schrenck anlässlich seines Todes 1698 gestiftete Abendmahlskanne bewundern.