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Frau Holle im Klassenzimmer – schulische Wandbilder zum Winter

Auf dem Bild ist ein Haus. Aus dem Fenster schauen zwei Frauen. Sie schütteln Kissen aus. Aus den Kissen kommen Federn. Die Federn werden zu Schnee. Unten ist eine Winterlandschaft zu sehen.

"Frau Holle" von Rudolf Dirr. Hoffmann Druck Wien, um 1952. Inv.-Nr. 23400.88 (A)

Das Bild zeigt ein Dorf. Dahinter ist ein Gebirge. Überall liegt Schnee. Ein Mann zieht einen Schlitten mit Holz. Ein anderer macht Holz. Zwei Menschen unterhalten sich. Kinder fahren Schlitten.

"Winter" von Alfred Sidler. Verlag Schweizerischer Lehrerverein, Zürich 1949. Inv.-Nr. 23400.10 (A)

Auf dem Bild ist ein Dorf. Dahinter ist ein Berg. Vom Hang kommt Schnee herunter. Der Schnee verschüttet einen Teil des Dorfes.

"Lawinen" von Albert Chavez. Hrsg. von der Kommission für interkantonale Schulfragen des Schweizerischen Lehrervereins, Verlag Ernst Ingolf, Herzogenbuchsee 1954. Inv.-Nr. 23400.13 (A)

Die heiligen drei Könige kommen zur Krippe. Sie bringen Jesus Geschenke. Sie feiern seine Geburt.

"Dreikönigslied“. Offsetdruck nach einem Original von Adrian Ludwig Richter. Verlag der praktische Schulmann, Stuttgart 1928. Inv.-Nr. 23400.230 (A)

Das Fränkische Freilandmuseum verfügt über einen Bestand von 230 Schulwandbildern, der die pädagogische Anschauungspraxis des späten 19., vor allem aber des 20. Jahrhunderts in den verschiedensten Unterrichtsfächern aufzeigt. Anfänglich als kleinformatige Buchillustrationen und im Unterricht verwendete Handbilder präsent, entwickelten sich schulische Bilder erst mit der Erfindung und Verbreitung des Druckverfahrens der Lithographie zum massenproduzierbaren Medium. Die Lehrmittelauswahl wurde zusehends umfangreicher, da die anbietenden Verlage und Druckereien nun preisgünstig und sehr viel großformatiger herstellen konnten. Besonders im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts galt das Schulwandbild als unangefochtenes Mittel der Wahl, um didaktisch aufbereitet die "Vielgestaltigkeit der Welt" zu veranschaulichen. Bis weit in die 1970er Jahre blieb es in vielen Klassenzimmern gegenwärtig, wurde jedoch bereits ab den Endsechzigern nach und nach von neueren Medien abgelöst. Der oder die ein oder andere mag sich vielleicht an den "Wandschmuck" der vergangenen Schulzeit erinnert fühlen…

Jahreszeitlich passend kamen in den Wintermonaten vor allem Themen zu Schnee, Kälte und Weihnacht im Unterricht zum Einsatz – im Folgenden stellen wir vier Beispiele aus unserer Sammlung vor.

Frau Holle schüttelt die Betten aus... [Abb. 1]

Bedeutsam und beliebt war die inhaltliche Behandlung des Stoffgebietes der Märchen und Fabeln, da man damit wunderbar erzieherische Wertevermittlung betreiben konnte. Um die Jahrhundertwende verlangte die Kunsterziehungsbewegung zudem eine hochwertigere Gestaltung der Bilder, sodass bekannte Maler und Grafiker ästhetisch anspruchsvolle Arbeiten schufen und mehrheitlich die Fertigung der Motive vornahmen. Die Geschichte von Frau Holle ist eine der winterlichsten Erzählungen überhaupt: Goldmarie und Pechmarie kommen durch den Sprung in einen Brunnen zu Frau Holle und werden von ihr gebeten, die Betten auszuschütteln, denn nur so fängt es auf der Erde an zu schneien. All die herausfallenden Daunen verwandeln sich unterhalb der Wolken in Schnee. Die eher sommerlich anmutende Darstellung von Frau Holles Welt – hier mit der freundlichen und fleißigen Goldmarie am Fenster zu sehen, die Blumen blühen, eine Blaumeise sitzt auf der oberen Rahmung  – hebt sich von der winterlichen, farbloseren Landschaft darunter ab.

Was passiert im Winter? Vermittlung von Jahreszeiten [Abb. 2]

Jahreszeitliche Motive und landschaftliche Abbildungen stellten einen großen Anteil bei der Produktion der Schulwandbilder dar. Anhand von Frühling, Sommer, Herbst und Winter war es besonders gut möglich, zeitliche Begrifflichkeiten kindgerecht einzuüben sowie die saisonale Veränderung in der eigenen Umgebung zu beobachten und zu benennen. Überwiegend findet sich ländliches Leben wiedergegeben, Jahreszeitendarstellungen in der Stadt trifft man weniger an. Auch der Winter auf unserem Schulwandbild aus dem Jahr 1949 zeigt ein beschneites Dorf, umgeben von einer Bergkette. Augenfällig ist die Bedeutung des Brennstoffes Holz, der hier sowohl auf einem Schlitten durch das Bild transportiert als auch in handliche Scheite gespalten wird. Ohne diesen wäre die Kälte in den Bergen – gemeint sind hier die Alpen – nicht zu überstehen. Doch die Winterlandschaft bringt neben all der Arbeit ebenso die Winterfreuden zur Ansicht: Im Hintergrund rodeln einige Personen auf Schlitten den Hang hinab in den Ort.

Nicht nur weiße Idylle... [Abb. 3]

Anschaulich umgesetzt wurde zudem das Thema der Naturgewalten im Winter. Der Abgang von Schnee-, Eis- oder Schlammlawinen hinunter ins Tal oder auch in die Ebene war neben Steinschlag und Hangrutschungen die dringlichste Gefahr. In dem hochformatigen Bild von Albert Chavez wälzt sich eine Lawine direkt in einen verschneiten und nahe am Hang gebauten Bergort, der wohl zum Teil von den Schneemassen verschüttet werden wird. Der Blick nimmt bei der Betrachtung vor allem die massive Bergflanke auf, welche die kleine Ansammlung aus Häusern und der Kirche gewaltig überragt. So verdeutlicht die schiere Größe des Gesteins die Mächtigkeit der Natur und die Bedrohung, die trotz getroffener Schutzmaßnahmen von ihr ausgehen kann.

Die Heiligen Drei Könige: Gold, Weihrauch und Myrrhen zum Dankespreis… [Abb. 4]

Der hier gezeigte kolorierte Holzschnitt entstammt dem Zyklus „Gesammeltes“, in dem der Dresdner Künstler Adrian Ludwig Richter (1803–1884) – einer der bedeutendsten Vertreter der Romantik – Kindheits- und Jugenderinnerungen festhielt. Im Bild strahlt uns eine behagliche und harmonisch belebte abendliche Szenerie entgegen: Wir befinden uns in einer kleinen, von Fachwerk und Treppengiebeln geprägten Stadt, im Hintergrund steht wohl eine prächtige Marktlinde. Einige Anwohner kommen aus ihren Häusern oder schauen aus dem Fenster, um sich den Gesang und das Spiel des kleinen Ensembles anzusehen. Obwohl doch früher Januar ist, scheinen die Anwesenden die herrschende Kälte nicht zu spüren, auch liegt kein Schnee auf der Gasse oder den Dächern ringsum. Richters Holzschneidewerk besticht durch eine stimmige Bildanordnung und funktioniert erstaunlich gut in der Vergrößerung: Die meisten seiner wesentlich kleinformatigeren Schnitte wurden für schulische Zwecke entsprechend angepasst und bringen viele Details deutlicher zum Vorschein.

Der Brauch des Dreikönigs- oder Sternsingens gehört seit Jahrhunderten zu den Geschehnissen rund um die Heilige Nacht und reicht bis in das Mittelalter zurück. Als bibeltextliche Grundlage gilt die entsprechende Stelle der Weihnachtsgeschichte im Matthäusevangelium: Kaum näher erläuterte Sterndeuter aus dem Osten folgen einem aufgegangenen Stern nach Jerusalem, um dem neugeborenen König der Juden mit besonders kostbaren Gaben zu huldigen. (Ob es tatsächlich drei an der Zahl waren, lässt sich nicht feststellen. Man erschloss dies später aus der Anzahl der Geschenke.)

Populär wurden die auch als Magier oder Weise aus dem Morgenland Bezeichneten ab der Mitte des 12. Jahrhunderts. Friedrich I. Barbarossas Reichskanzler, Erzbischof Reinald von Dassel, verbrachte die als Gebeine der Heiligen Drei Könige angesehenen Reliquien im Jahre 1164 nach der erfolgreichen Belagerung von Mailand  – und damit als Kriegsbeute – in den Kölner Dom. Sie gaben nun als Schutzpatrone für Haus und Hof, Ernte, gegen schlechtes Wetter, Feuer, Krankheiten und auf Reisen Beistand und Hoffnung. Im ausgehenden Mittelalter und zu Beginn der Frühen Neuzeit entwickelte sich das Sternsingen als sogenannter Heischebrauch: Bedürftige Schulkinder und ebenfalls Schulmeister, arbeitslose Handwerker, Studenten oder auch einstige Soldaten „maskierten sich mit Kronen aus Goldpapier, Mänteln aus Bettüchern oder Hemden […], einer trug an einer Stange einen vergoldeten Papierstern“[1], und spielten den Zug der Sterndeuter nach. Sie gingen von Tür zu Tür, sangen, sagten Gedichte auf und erbaten sich so eine milde Gabe oder eine Spende für ihr Schulgeld.

Das Dreikönigssingen, wie wir es heute erleben, gründete sich in den 1950er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Unter dem Motto „Kinder helfen Kindern“ organisierten das Kindermissionswerk und der Bund der Deutschen Katholischen Jugend erste Aktionen, in denen Mädchen und Jungen für Hilfsprojekte in aller Welt Geld sammelten. Gegenwärtig nehmen jedes Jahr hunderttausende Kinder in vielen evangelischen und katholischen Gemeinden in ganz Deutschland am Sternsingen teil und tragen mit ihren Liedern und den verteilten Segenssprüchen zweistellige Millionenbeträge zusammen. Die Spendenden erhalten traditionell den Schriftzug C+M+B mit der entsprechenden Jahreszahl an ihren Wohnungen oder Häusern – kein Unheil kann so über die Türschwelle treten. Entgegen der Annahme, mit der Buchstabenfolge seien die Initialen für Caspar, Melchior und Balthasar angesprochen, hat der Segen eine andere Bedeutung: „Christus Mansionem Benedicat“ meint übersetzt: „Christus segne dieses Haus“. Seit 2015 ist das Sternsingen auf der Liste des deutschen immateriellen Kulturerbes der UNESCO eingetragen.

[…] Bethlehem ist eine Hoffnungsstadt, / wo Maria das Christkind geboren hat. / Wir bringen Gott Vater, Gott Sohn und dem / heiligen Geist / Gold, Weihrauch und Myrrhen zum Dankespreis. [Mundartgedicht]

 


[1] Keller 1928, S. 114.

 

Weiterführende Literatur:

  • Keller, Christian: Das Dreikönigslied. In: Der praktische Schulmann. Eine Zeitschrift für die Schule der Gegenwart 1928, Heft 8, S. 113–117.
  • Mainfränkisches Museum Würzburg, Forschungsstelle Historische Bildmedien Würzburg (Hg.): Winter – Weihnacht – Winterschlaf auf Schulwandbildern. Katalogheft zur Sonderausstellung im Mainfränkischen Museum Würzburg, 6.12.2016 bis 26.3.2017. Würzburg 2017.
  • Mennel, Erich; Ott, Wolfgang (Hg.): Schulwandbilder. Die Entwicklung des Bildes für den Unterricht im 19. und 20. Jahrhundert (Kleine Schriftenreihe des Weißenhorner Heimatmuseums, Bd. 2). Weißenhorn 2012.