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Hygiene am Bauernhof in Haus und Stall - Saubere Höfe und gesunde Tiere für unverseuchte Lebensmittel

Begleitend zur großen Sonderausstellung „Sauberkeit zu jeder Zeit! Hygiene auf dem Land“, die in der Saison 2020 im Fränkischen Freilandmuseum des Bezirks Mittelfranken zu sehen ist, stellt das Museum eine kleine Geschichte der Hygiene auf dem Land als Zeitungsserie in sechs Stationen vor. In der dritten Station beschäftigt uns die Frage, wie die neuen Ideen und Erkenntnisse der Hygienebewegung das Leben in Haus und Stall am Lande verändert haben. Mit welchen baulichen Maßnahmen sollten die traditionellen Bauernhöfe hygienisch umgestal-tet werden? Was sollten die Menschen im Umgang mit den Tieren und den tierischen Le-bensmitteln wie der Milch verändern?

Röhner Bauernhof mit offenem Misthaufen, Foto Elisabeth Freund, 2. Hälfte 1960er (Sammlung Freilandmuseum Fladungen)

Handmelkerin in der verschmutzten Einstreu, Buxheim bei Ingolstadt, 1960er Jahre (Fotosammlung Späth)

Das enge Zusammenleben von Menschen und Tieren prägte das Arbeiten und Wohnen am Lande. Besonders im Winter schätze man die Nähe zu den Tieren wegen ihrer Wärme. Der Fortschritt der Neuzeit brachte eine immer weiter gehende Trennung von Wohnung und Stall. An diesem Punkt setzten die Reformvorstellungen von gesundem Wohnen seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert an. Waren bis dahin der Schutz der Menschen vor Nässe und Kälte, das Bewahren der Essensvorräte vor Ungeziefer und Verderben und das Bergen der wertvollen Nutztiere vorrangige Ziele des Behausens, so kam jetzt Licht, Luft und geordnete Beseitigung der tierischen und menschlichen Exkremente als Leitideen des Bauens dazu. Noch in den 1960er-Jahren des Zwanzigsten Jahrhunderts drehte sich die Beratung der Landwirtschaftsämter um diese Themen.

Mensch, Vieh und Mist auf engstem Raum

 

Elisabeth Freund, Lehrerin an der Landwirtschaftsschule Bischofsheim a. d. Röhn, war in den 1960er Jahren als Beraterin für den Umbau von landwirtschaftlichen Anwesen im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums unterwegs. Sie dokumentierte einige der besuchten Höfe. Diese Schwarzweißfotos gewähren Einblick in eine Alltagsrealität hinter den Fassaden, wie sie bis dahin über Jahrhunderte normal war, die aber sonst fast nie abgebildet wurde. Damit sind diese unscheinbaren Fotos für Alltagshistoriker wertvolle Dokumente für ein Leben, das sich seitdem grundlegend verändert hat.

Hier zeigen wir als Beispiel einen Blick in den Innenhof eines Röhner Bauernhofes, den Elisabeth Freund fotografierte. Die Natursteinmauer links im Bild gehört zum Stall, in dem das Großvieh, also Rinder und Pferde untergebracht war. Wohntrakt und Stall finden sich im Wohnstallhaus unter einem gemeinsamen Dach. So blieb die Abwärme der Tiere im Haus und die großen Nutztiere, als das wichtigste Besitztum der Bauern, waren stets in der Nähe der Bewohner untergebracht. Ammoniakemissionen und Gerüche der Tierhaltung drangen unlöslich tief ins Mauerwerk ein. Etwas zurückversetzt schließt der überbaute Schweinestall und schließlich die Scheune an. Nur eine schmale Fläche an der Stallwand ist befestigt. In der Bildmitte ist ein großer Misthaufen zu sehen, dessen Exkremente meterweit in den sonst unbefestigten Hof abfließen. Rechts sind Äste mannshoch aufgeschüttet. Das könnte Krackelholz sein, dürre Äste, die mit Stangen von den Bäumen abgeschlagen wurden, um sie als Brennholz zu verwenden. Davor liegt ein Hackstock, der umgefallen ist. Im ganzen Hof bewegen sich scharrende und pickende Hühner. Damit diese und andere Tiere nicht durch die offene Haustüre ins Haus gelangen konnten, hatten manche Höfe halbe Lattentüren am Hausflur. Bei Regen weichte der ganze Hof auf. Unweigerlich trugen die Bewohner, wenn sie diesen Hof überquerten die Exkremente und den Mist auch ins Wohnhaus. Bei Betrachtung des Fotos kann man sich auch gut vorstellen, dass oft auch die Nähe von Misthäufen zu Hofbrunnen ein Problem darstellte, wodurch Keime ins Trinkwasser gelangen konnten.

Bauliche Maßnahmen für Licht, Luft und Sauberkeit

Eine bauliche Maßnahme zur Verbesserung der Hygiene ist im Bild zu erkennen. Wenigstens ein schmales Stück am Haus ist befestigt. Die Pflasterung der Gred, des Bereichs vor dem Hauseingang, und ein Dachüberstand, ein Greddach, konnten dazu beitragen, trockenen Fußes über den Hof zu gelangen. Um die neuen Leitideen von Licht, Luft und Sauberkeit im Haus umzusetzen, war im Inneren der wichtigste bauliche Schritt den Wohnbereich vom Rauch des offenen Feuers zu befreien. Solange über dem offenen Feuer mit offenen Kaminen gekocht wurde, waren besonders die Küchen mit beißendem Rauch erfüllt. Die Einführung geschlossener Herde, bei denen das Herdfeuer in einem gemauerten Raum oder in einem Metallkasten brannte, befreite die Wohnräume vom Rauch. Die sich seit dem 19. Jahrhundert durchsetzenden geschlossenen Herde wurde wegen ihres geringeren Holzverbrauchs „Sparherde“ genannt. Größere Fenster und das Verputzen der Wände im Wohnbereich und im Stall ließen die Räume heller wirken. Kalkputz verhindert aufgrund seiner chemischen Eigenschaften die Ansiedlung von Bakterien und Schimmelpilzen und wurde deshalb besonders für Ställe empfohlen. Für den Stall wurden steinerne Futtertröge und vor allem die Trennung von Mist- und Futtergang angeraten. So konnten in einer getrennten Jaucherinne die flüssigen Exkremente abfließen, ohne dass es zu einer Vermischung mit dem Futter kam. Die Misthäufen wurden an die Außenseiten der Höfe verlegt. Heute legt die Bauordnung eine Schmutzschleuse für landwirtschaftliche Anwesen fest.

Tier- und Lebensmittelhygiene

Gesunde Tiere sollten gesunde Lebensmittel garantieren. So gehen Tier- und Lebensmittelhygiene über weite Strecken Hand in Hand.

Seit bekannt wurde, welche Rolle Bakterien bei der Entstehung von Krankheiten spielen, stellte die Milch einen Brennpunkt der hygienischen Bemühungen dar. Die Milch wurde als ebenso wertvolles wie verderbliches Lebensmittel identifiziert. Selbst wenn die Milch aus kerngesunden Eutern stammt, weisen die ersten Milchstrahlen erschreckend hohe Keimzahlen auf, weil Bakterien ein Stück weit über die Zitzen eindringen. Aber erst recht nach dem Melken ist die Milch gefährdet, bildet sie doch einen idealen Nährboden für die rasante Vermehrung von Keimen, von denen die Luft selbst in vorbildlichen Ställen schwirrt. (S. 237-238) Im Laufe des 20. Jahrhunderts setzte sich die Milchhygiene immer mehr durch: Schritte auf dem Weg zunehmender Sauberkeit von Stall, Kuh und Melkpersonen waren das Lüften des Stalls, der Verzicht auf das Füttern und Misten während des Melkens, saubere und gesunde Melkpersonen, Säubern des Euters, Vormelken und restloses Ausmelken, Reinigen der Milch mit Seihtüchern, rasches Herunterkühlen der Milch und penible Hygiene beim Lagern und Transportieren. Milch ist heute zu einem sicheren Lebensmittel geworden.

Inzwischen haben automatisierte Melkanlagen das Handmelken überflüssig gemacht. Es legt kein Mensch mehr Hand an. Und auch baulich gibt es in den heutigen Milchviehbetrieben eine fast vollständige Trennung von Tier und Mensch. Das war eine Voraussetzung für die Umsetzung der Hygiene am Bauernhof. Unterstützt wird sie seit den 1950er Jahren durch ein allgemeines landwirtschaftliches Schulwesen. Einen grundlegenden Wandel brachte seit den 1970er Jahren die flächendeckende Wasserversorgung und der Anschluss an die Kanalisation auch am Lande. Inzwischen gibt es Entwicklungen ins Extreme. Auf Ertragsoptimierung hochgezüchtete Schweine werden unter prophylaktischem Einsatz von Antibiotika in Dauerquarantäne gehalten. Diese liefern äußerlich reines Fleisch, das aber schädlich für Mensch und Umwelt ist. Auch heute sind begrenzende Vorschriften und ihre Durchsetzung durch Kontrollen zum gesundheitlichen Wohl der Allgemeinheit gefragt. Staatliches Engagement und Vorschriften im Schulwesen, der Wasserversorgung, der Bauordnung oder bei Hygienevorschriften führte in den letzten hundert Jahren zur allgemeinen Durchsetzung hygienischer Standards.

Der nächste Beitrag dieser Serie betrachtet den Lebensbereich der Bäuerinnen. Wie hat sich das Kochen, Schlafen oder Waschen unter hygienischen Vorstellungen verändert und damit auch die Rolle der Frauen? Haben Frauen die äußeren Hygienenormen verinnerlicht? Die Sonderausstellung „Sauberkeit zu jeder Zeit! Hygiene auf dem Land“ im Fränkischen Freilandmuseum bietet gerade aus dem häuslichen Lebensbereich viele Beispiele, an die sich die älteren Besucher gerne und lebhaft erinnern. In Zeiten der Pandemie riechen wir nicht nur nach frisch gewaschener Wäsche, sondern auch nach Desinfektionsmittel. Erscheint uns das inzwischen schon als Wohlgeruch?

Dr. Margarete Meggle-Freund

Serie zur Geschichte der Hygiene

  1. Siegeszug der modernen Hygiene
  2. Badekultur und Säftelehre im Spätmittelalter
  3. Hygiene am Bauernhof in Haus und Stall
  4. Hygiene beim Kochen, Waschen und Schlafen als Aufgabe der Bäuerin
  5. Wie aus dem Abfall Müll wurde
  6. „Der reinliche Bürger“, „Rassenhygiene“ und „gesunde Zuwanderung“ – Hygienediskurse

Diese Serie stützt sich auf den Katalog zur gleichnamigen Ausstellung: „Sauberkeit zu jeder Zeit! Hygiene auf dem Land. Petersberg (Michael Imhof Verlag) 2019, 256 S. mit zahlreichen farbigen Abbildungen, ISBN 978-3-7319-0837-1, 19,95 €, Bezug über Fränkisches Freilandmuseum info@freilandmuseum.de oder den Buchhandel.