Klappern für Almosen
Corona ist nicht die erste ansteckende Krankheit, mit der Menschen auf der Welt zu kämpfen haben. Noch heute gibt es die Krankheit Lepra, im Mittelalter und der Frühen Neuzeit auch als Aussatz oder Lazarus-Krankheit bezeichnet.
In der museumspädagogischen Sammlung des Museums Kirche in Franken befindet sich seit dem Jahr 2018 der Nachbau einer so genannten Lepraklapper. Die Klapper konnte während der Sonderausstellung zum Spitalsjubiläum 2018 "Brauen, Baden, Beten - 700 Jahre Hospitalstiftung Windsheim" von unseren Besucher*innen ausprobiert werden. Mit akustischen Warninstrumenten wie solch einer Klapper, ein Horn oder Glöckchen mussten Leprakranke im Spätmittelalter ihr Kommen ankündigen bzw. konnten wortlos um ein Almosen bitten, da es ihnen verboten war, zu sprechen. Die Lepraklapper war somit ein Objekt der sozialen Distanzierung, wie wir sie heute auch erleben.
Nachdem die mittelalterliche Medizin keine Heilmittel zur Eindämmung von Aussatz kannte und der Infektionsmodus unbekannt war, isolierte man die Kranken nach alttestamentarischem Vorbild und setzte sie außerhalb der Stadt aus (Lepra = Aussatz). Vor Erbauung der Leprosorien bzw. Sondersiechenspitäler mussten sie dort in provisorischen Behausungen auf offenem Feld leben (Lepröse = die Feldsiechen).
Aussätzige waren lebendige Tote. Der Pfarrer las über die Angesteckten, die in der Lepraschau diagnostiziert wurden, die Krankenmesse, dann das Totenoffizium wie über Hinzurichtende, hörte ihre Beichte, spendete ihnen das Abendmahl, reichte ihnen ihre typische Tracht (Lazaruskleid), ein Trinkgefäß und einen Brotsack, bevor sie aus der Stadt geführt wurden. Dort lebten sie ab dem 13. Jh. vermehrt in bruderschaftlicher, klosterähnlicher Gemeinschaft der Leprosorien mit eigenem Gotteshaus und eigenem Friedhof. Lepröse waren ausgeschlossen von Märkten, Kirchen, Wirtshäusern und durften aus keinem öffentlichen Brunnen trinken. Sie hatten das Privileg, sich an bestimmten Stellen Almosen erbetteln zu dürfen, besonders an den Kreuzungspunkten von Verkehrs- und Handelswegen.
Die medizinischen Maßnahmen zur Linderung der massiven Krankheitsleiden bei Lepra waren vielfältig und bezogen sich auf verschiedene angenomme Ursachen: So empfiehlt Hildegard v. Bingen gegen Lepra, welche auf Unmäßigkeit bei Essen und Trinken zurückzuführen ist, eine im Schwitzbad einzureibende Salbe aus Storchen- und Geierfett, vermischt mit Schwalbenkot, Schwefel und Klettenkraut. Gegen Aussatz durch sexuelle Unenthaltsamkeit verordnet sie ein Warmbad mit Kräuterzusätzen und möglichst viel Menstrualblut, zusätzlich eine Salbe aus Gänse- und Hühnerfett und etwas Hühnerkot. Bei Aussatz infolge von Zornmütigkeit soll man ein Säckchen mit von Pferdeblut durchtränkter Erde über dem Herzen tragen. Nach dem Vorbild arabischer Ärzte wurden Lepröse vor einem Schwitzbad mit Quecksilbersalben eingerieben; mit dem Schweiß und dem durch die Giftwirkung des Quecksilbers verursachten starken Speichelfluss sollten die krankmachenden Säfte ausgetrieben werden. Dieses Einreiben konnten nur Bader oder Barbiere übernehmen, die entweder die Behandlung der Aussätzigen nicht scheuten oder selbst an der ansteckenden Krankheit litten.
Lepra ist eine chronische Infektionskrankheit, die durch das Mycobacterium leprae ausgelöst wird. Bei dieser Krankheit sterben die Nerven ab und die Gefäße der Arterien und Venen verstopfen durch eine Verdickung des Blutes. Die Betroffenen verlieren meist das Gefühl für Kälte, Wärme und auch Schmerz. Ohne Behandlung verletzen sich die Patienten oft unbemerkt und infizieren sich über die Wunden an lebensgefährlichen Krankheiten wie z. B. Tetanus. Daher stammt auch die Vorstellung, Lepra würde zum Abfallen von Fingern, Zehen, Händen oder Ohren führen. Da die Erkrankten keine Schmerzen spüren, werden Wunden oft unbehandelt gelassen, und durch Entzündungen können diese Körperbereiche absterben. Durch Tröpfcheninfektion wird bei langfristigem und engem Kontakt der Erreger übertragen. Eine ungewöhnlich lange Inkubationszeit (5-20 Jahre) sorgt dafür, dass Lepra zwar heute unter Kontrolle, aber noch lange nicht ausgerottet ist, wie z. B. die Pocken. Es kann mit Antibiotika behandelt werden, so dass es in Ländern mit gut entwickelter Gesundheitsversorgung kaum noch auftritt und als heilbar gilt. In Entwicklungsländern dagegen ist es nach wie vor ein ernstzunehmendes Problem.