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Ludwig (Louis) Stern

Die Sonnen- und die Schattenseiten des Lebens – Ludwig Stern kannte sie beide. Geboren wurde Ludwig (oder Louis wie er zuweilen genannt wurde) am 25.11.1874 in Würzburg als Sohn des Allersheimers Josef Stern und seiner Frau Karoline, einer geborenen Kaufmann aus Fechenbach. Er wuchs in der Mainstadt auf und besuchte dort auch die Realschule. Nach seinem Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger 1894/95 trat er in die elterliche Weinhandlung ein, die er 1903 nach dem Tod seines Vaters übernahm. Zu dieser Zeit lebte er am Haugerring 20 und war zudem Weingutsbesitzer. In diesem Jahr musste der junge Mann nicht nur den Tod seines Vaters verkraften, auch seine erste Ehefrau Bertha, eine geborene Meyer aus Rodheim vor der Höhe und Mutter seiner Tochter Yohanna, verstarb unmittelbar nach der Geburt ihres zweiten Kindes Siegfried. Ab 1910 war Stern zusätzlich Inhaber der Weingroßhandlung „Johann Heinrich Henniger“, die er bis 1933 als Alleininhaber und fortan als Mitinhaber führte. Ebenfalls 1910 ehelichte er die evangelische Christin Martha Bär aus Leipzig, mit der er bereits unehelich die Kinder Hans, Fritz und Ilse hatte. 1911 verlieh ihm die Stadt Würzburg das Bürgerrecht, er hatte den Aufstieg ins gehobene Bürgertum geschafft.

Doch der Erste Weltkrieg erreichte auch Ludwig Stern: Von 1915 bis 1918 leistete er Militärdienst und wurde für seine Verdienste um die Kriegswirtschaft mit dem König-Ludwig-Kreuz ausgezeichnet, obwohl 1916 die elterliche Firma Konkurs anmelden musste. Die Auszeichnung erhielt Ludwig wohl bereits mit seiner eigenen Firma, die er während des Ersten Weltkrieges gegründet hatte und die sich vor allem auf Heereslieferungen konzentrierte. Auch nach dem Krieg blieb er beruflich flexibel und war neben seinem Engagement als Weinhändler und -agent auch als Immobilienmakler und Fasshändler tätig.

Ludwig Stern hatte es zu Reichtum gebracht. Nach Aussage seines Sohnes Siegfried hatte er in den 1920er-Jahren sogar einmal das größte Einkommen im gesamten Bezirk der Finanzbehörde Würzburg. Zu zahlreichen Anlässen spendete er, vor allem ins Heilige Land, so etwa 1919 anlässlich der Bar Mitzvah seines Sohnes Hans 100 Mark an den Jüdischen Nationalfonds. Auch konnte er es sich leisten in den Jahren 1928 und 1929 die Häuser Nr. 76 und 344 in Augsburg sowie die Häuser Cervennastraße 4 und 4a in Würzburg für insgesamt über 89.000 Reichsmark zu erwerben. Im selben Jahr verwendete er Wertpapiere für die Aussteuer seiner Tochter in Berlin.

Doch just zu dieser Zeit begann der Abstieg. Aufgrund gewagter Finanzierungs- und Warengeschäfte sowie des Preisrückgangs auf dem Weinmarkt verlor Ludwig Stern alleine im Steuerjahr 1929 rund eine Million Reichsmark, was beinahe zwei Drittel seines Gesamtvermögens bedeutete. Wegen offener Forderungen wollte er seine Firma eigentlich liquidieren lassen, es kam jedoch zunächst nicht dazu. 1930 beschäftigte er acht Angestellte und sechs Arbeiter und beteiligte sich zusätzlich an  der insolvent gegangenen Rheinisch-Pfälzischen Weinkellerei GmbH sowie dem Boxbeutel-Weinvertrieb in Kitzingen. Er leistete sich einen PKW.

Schon bald begann eine neue Phase in Ludwigs Leben. Nachdem er sich 1935 wegen Krankheit acht Wochen lang in Frankfurt am Main im Krankenhaus behandeln lassen musste, entschloss sich die Familie offenbar zu einer Umfeldveränderung. So zogen im Juli 1936 nicht nur Ludwig und seine Frau sondern auch die inzwischen geschiedene und wieder im Elternhaus lebende Tochter Ilse nach Wiesbaden in die Lortzingstraße 7. In der Schlichter Straße 10 meldete Ludwig einen Wein- und Fassgroßhandel an. Eine Haushaltsgehilfin unterstütze die Familie. Am 11.07. verkaufte Stern für 1501 RM das Haus Nr. 344 in Augsburg an seine Tochter Ilse. Schon einen Monat später jedoch musste er wegen eines Nierenleidens erneut das Bett hüten. Einnahmen generierten sich zu dieser Zeit unter anderem aus Vermietungen in Wiesbaden. Eine beantragte Unbedenklichkeitsbescheinigung wurde Ludwig Stern verwehrt, da nach Angaben der Behörden die finanziellen Sicherheiten fehlten. In diesem Zuge gab dieser an, eine Auswanderung käme für ihn keinesfalls in Frage.

In Wiesbaden hatte sich der Kaufmann dem Anschein nach gut eingelebt. Er war unter anderem im Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde tätig. Privat jedoch häuften sich die Probleme. Offenbar aus Geldmangel machte Ludwig Stern seine Frau zur alleinigen Begünstigten seiner Lebensversicherung und ließ sich dafür 3000 RM Beleihung auf die Police zum Ankauf von Weinen gewähren. Noch im selben Jahr (1938) ließen sich die Eheleute scheiden. Ein wenig Erleichterung brachte ein Geschenk von 2000 RM, das der auswandernde Max Stern Ludwig am 6. Oktober machte. Ab November erfolgte in der Firma Ludwig Sterns nur noch Restpostenverkauf, zuvor waren die Kunden vor allem Hotels und Gastwirte gewesen.

Der Nationalsozialismus machte dem Weinhändler immer stärker zu schaffen. In der Pogromnacht erlitt er einen finanziellen Schaden von 2400 RM, zum Ende des Jahres wurde seine Firma von Amts wegen gelöscht und abgemeldet. Im Folgejahr wurde Stern ohne Beruf geführt und beabsichtigte nach Amerika auszuwandern. Im Oktober bemühte er sich um eine Ausreise nach Großbritannien, besaß jedoch keinerlei Barvermögen mehr und war zudem schwer blasen- und zuckerleidend. Aus akuter Not wurde seiner Schwester Fanny genehmigt, ihm in drei Raten jeweils 200 RM zuzusenden.

Schließlich gelang die Emigration doch noch. Am 07.06.1941 flog Ludwig Stern mit der Lufthansa nach Barcelona und wohnte dort für zwei Wochen im Hotel „Bristol“ an der Placa de Cataluna. Anschließend emigrierte er an Bord der „Villa de Madrid“ von Madrid aus nach New York, musste jedoch unmittelbar ins Krankenhaus eingeliefert werden. Im Apartement 5B in 808 West End Avenue fand er ein neues Zuhause und wurde von seinen Brüdern Solomon und Max ernährt. Am 14.12.1944 verstarb Ludwig Stern in New York. Er machte seinen Bruder Solomon zum Alleinerben. Seinen Nachkommen wurde später eine Entschädigung in Höhe von 7020 DM zugesprochen, die jedoch vermutlich nie zur Auszahlung kamen, da sie von Solomon auf Siegfried Stern übertragen wurden, beide jedoch noch vor der Auszahlung verstarben und Siegfrieds Kinder keine Legitimationen vorlegen konnten.

 

Ludwig (Louis) Stern

 

Good and bad times in life – Ludwig Stern knew both. Ludwig (or Louis as he is sometimes reffered to) was born on November 25th of 1874 in Würzburg as a son of Josef Stern from Allersheim and his wife Karoline, a born Kaufmann from Fechenbach. He grew up in the town on the banks of the Main river and also visited secondary school there. After performing military duties as a one-year volunteer in 1894/95, he joined the wine business of his parents, which he took over after his father’s death in 1903. At this time, Ludwig lived under the address Haugerring 20 and owned a vineyard. In said year, not only was Ludwig forced to cope with the death of his father but also with the early death of his first wife Bertha, a born Meyer from Rodheim vor der Höhe and mother of his first daughter Yohanna, which deceased immediately after the birth of their second child Siegfried. From 1910 on, Stern was also the owner of the wine wholesale business „Johann Heinrich Henniger, which he led as an owner until 1933 and as a co-owner afterwards. Also in 1910, he married the protestant Martha Bär from Leipzig, with whom he already had three illegitimate children: Hans, Fritz and Ilse. One year later, the city of Würzburg granted him citizen’s rights, he had succesfully become a part of the upper class.

But World War I did not stop at Ludwig Stern’s doorstep: From 1915 to 1918 he performed military duties and was awarded with the „König-Ludwig-Kreuz“ for his merits for the war economy, even though the company of his parents had to declare bankrupcy in 1916. The award he received was most likely already for his own company, which he had founded during World War I and in which he acted as an army contractor. After the war, he remained customizable regarding business and next to his business as a wineseller and agent also made business with real estate and selling barrels.

Ludwig Stern was rich. According to his son Siegfried, there was a time in the 1920s when he had the largest income within the whole district of the financial authorities of Würzburg. He donated on multiple occasions, especially to the Holy Land, as in 1919 when he donated 100 Mark to the Jewish National Fonds for the Bar Mitzvah of his son Hans. He could afford to buy houses no. 76 and 344 in Augsburg as well as the houses Cervennastraße 4 and 4a in Würzburg in 1928/29 for a total amount of 89.000 Reichsmark. In the same year he used security papers for the endowment of his daughter Ilse in Berlin.

But it was at this time that Ludwig’s luck left him. Due to high risk business decisions and the general economic situation, he lost arounf 1 million Reichsmark in the fiscal year of 1929 alone, which was around 2/3 of his total wealth. When he was not able to pay all bills anymore, he planned on letting his company go into bankrupcy, which seemingly did not happen though. In 1930 he provided work for eight employees and six workers and was also involved in the bankrupt „Rheinisch-Pfälzische Weinkellerei GmbH“ and the „Boxbeutel-Weinvertrieb“ in Kitzingen. He owned an automobile.

Soon another period of Ludwig’s life began. After he had to be treated in the Frankfurt hospital for eight weeks in 1935 due to an illness, the family seemingly decided that a change of air was due. In July of 1936, not only Ludwig and his wife moved to Wiesbaden (Lortzingstraße 7), but also their daughter Ilse, who had been divorced and lived with her parents again. Under the address Schlichter Straße 10, Ludwig established a wine and barrel wholesale business. A housemaid supported the family. On July 11th, Stern sold house no. 344 in Augsburg to his daughter Ilse for 1501 Mark. One month later though he once again could not work due to kidney problems. His income at that time also consisted of rents he received for objects in Wiesbaden. His request for a clearance certificate was declined due to missing financial securities. Within his request, Ludwig stated that emigration was no option for him.

It seems that the merchant had found a new home in Wiesbaden. He even was part of the board of the Jewish community in Wiesbaden. In his private life, however, problems began to increase. Probably due to his financial problems, Ludwig named his wife as the sole beneficiary for his life insurance, erasing his daughter Ilse and in return receiving a credit of 3000 RM on the insurance for buying wine. In the same year (1938) the couple divorced.

The situation improved a little when Max Stern made Ludwig a gift of 2000 RM upon his emigration on October 6. From November on, the company of Ludwig Stern only sold remainders anymore. Before that customers had mainly consisted of hotels and restaurants.

The national socialists increasingly made life harder for the wine trader. In the pogrom night he suffered a financial damage of 2400 RM, at the end of the year he was forced to give up his company. The following year, Stern is listed without a profession and made plans to emigrate to the United States. In October, he made serious plans to emigrate to the United Kingdom but was lacking any form of cash and severely suffered from a bladder illness and diabetes. The situation was so tragic that his sister Fanny received permission to send him three rates of 200 RM.

In the end, Ludwig Stern did manage to succesfully emigrate. On June 7th of 1941 he entered a Lufthansa airplane to Barcelona, where he lived in the „Bristol Hotel“ on Placa de Cataluna for two weeks. Afterwards he emigrated to New York from Madrid on board of the „Villa de Madrid“, where he immediately was transferred into a hospital. In apartment 5B in 808 West End Avenue, Ludwig found a new home and was taken care of by his brothers Solomon and Max. On December 14th of 1944, Ludwig Stern died in New York, leaving his possessions to his brother Solomon. Later his descendants were granted a compensation of 7020 DM, which were probably never paid out because Solomon had offered his rights to Siegfried Stern but both died shortly after and Siegfried’s children were not able to provide the necessary legitimation.

 

Quellen

 

Biographische Datenbank Jüdisches Unterfranken.

Neue Jüdische Presse vom 20.03.1903.

Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden Nr. 518/43055.

Braun, Joachim: Geschichte der jüdischen Gemeinde von Allersheim im Ochsenfurter Gau. In: Würzburger Diözesangeschichtsverein (Hg.): Würzburger Diözesangeschichtsblätter. 69. Band, Sonderdruck. Würzburg 2007.

Main-Post: Würzburg und die Uni erinnern an Max Stern. 2012.

Jüdische Rundschau vom 03.06.1919.

Geni – Genealogische Datenbank.

Stadtarchiv Wiesbaden: Sterbeeintrag Martha Fanny Luise Stern.

Mailverkehr mit Gerhard Klaiber vom 08.11.2019.

Der Israelit vom 28.12.1922.

Jüdische Rundschau vom 18.01.1924.

Der Israelit vom 15.10.1925.

Jüdische Rundschau vom 09.09.1927.

Das Jüdische Echo vom 16.09.1927.

Das Jüdische Echo vom 30.09.1927.

Das Jüdische Echo vom 18.05.1928.

Das Jüdische Echo vom 12.10.1928.

Das Jüdische Echo vom 18.01.1929.

Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden Nr. 685 778d.

Das Jüdische Echo vom 05.04.1929.

Das Jüdische Echo vom 25.10.1929.

Jüdische Rundschau vom 18.10.1929.

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Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden Nr. 685 778b.

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Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden Nr. 519/3 1780.

Aufbau vom 24.11.1944.

Strätz, Reiner: Biogaphisches Handbuch Würzburger Juden 1900-1945. Würzburg 1989.