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Nathaniel (Sally) Hanauer

Die Wirren des Krieges lassen sich anhand der Lebensgeschichte von Nathaniel Hanauer gut illustrieren. Nathaniel, auch als Sally bekannt, wurde am 01.05.1874 in Richen (Baden) als Sohn von Moses Hanauer und seiner Frau Fanny, einer geborenen Allersheimerin, geboren. Seinen Namen erhielt er mutmaßlich im Andenken an seinen Großvater mütterlicherseits, den Allersheimer Rabbiner Nathaniel Gabriel Weissbart.

Wenig ist darüber bekannt, wie Nathaniel aufwuchs, er lässt sich erst wieder im Erwachenenalter fassen, als er als Bankier in Frankfurt am Main tätig war. Hier lebte er zusammen mit seiner Frau Ella, einer geborenen Hess, welche er am 07.09.1900 in Frankfurt geehelicht hatte, und seinen beiden Kindern Frieda und Arnold. Hanauer nahm aktiv am gesellschaftlichen Leben teil und spendete unter anderem zum 01.03.1909 anlässlich des Schuleintritts seines Kindes am Frankfurter Philantrophin drei Mark an die Creizenach-Stiftung.

Eines der tragischsten Kapitel seines Lebens brachte jedoch der Erste Weltkrieg mit sich. Um 1915 war Nathaniel Hanauer eingezogen worden und wurde an der Ostfront stationiert, wo er in einer Etappen-Einheit für die Verpflegung der Truppe zuständig war. Bereits 1914 hatte er sich nach dem Mann seiner Schwägerin erkundigt, der im Kriegsdienst vermisst gegangen war und zuhause verzweifelt gesucht wurde. Vermutet wurde, dass dieser sich womöglich in russischer Kriegsgefangenschaft befinden könnte. Zuhause erwartete Nathaniel währenddessen weiteres Unbehagen. Im März des Jahres war er von einem Gericht wegen Überschreitung der Getreidehöchstpreise zu Kriegszeiten zu 1000 Mark Strafe verurteilt worden. Hanauer hatte das Getreide bereits über den Höchstpreisen eingekauft und mit kleinem Aufschlag an eine auswärtige Firma weiterverkauft. All das jedoch trat am 09.11.1915 in den Hintergrund. In Grodno, weit entfernt von der Heimat, fand Nathaniel auf Nachfrage bei der dortigen jüdischen Gemeinde das Grab seines verschollenen Schwagers. Nur zufällig war der junge Mann mit den Truppen in die Stadt gekommen, nun war es an ihm, seiner in der Heimat hoffenden Familie die Nachricht vom Ableben des geliebten Schwagers zukommen zu lassen. Der Frau des Vermissten die Nachricht selbst auszurichten brachte Hanauer nicht übers Herz. Seine Familie bat er, der Trauernden die Kunde zu überbringen. Diese Episode konnte auch die Hessische Tapferkeitsmedaille nicht vergessen machen, welche er für seinen Kriegsdienst am 24.05.1918 überreicht bekam.

Im Sandweg 5 in Frankfurt betrieb Nathaniel Hanauer seit den 1910er-Jahren eine Fouragehandlung. Wie sehr der Krieg ihn geprägt hatte, zeigt sich unter anderem darin, dass 1922 neben einer Spende für den Rabbi Dr. Nobel Gedächtnishain auch eine Spende über 500 RM an Hungernde in Sowjetrussland für Hanauer verbrieft ist. In den 1930er-Jahren erfolgte ein privater und geschäftlicher Umzug in den Röderbergweg 65.

Doch ein ruhiges Leben war dem Geschäftsmann auch jetzt nicht vergönnt. Die Schrecken der NS-Zeit machten auch vor Frankfurt keinen Halt und zwangen die Familie immer stärker dazu, sich mit einer möglichen Ausreise zu beschäftigen. Am 21.04.1939 meldeten sich die Eheleute Hanauer schließlich in die argentinische Metropole Buenos Aires ab. Dort starb Nathaniel Hanauer im Jahr 1950.

 

Nathaniel (Sally) Hanauer

 

The turmoil of war can well be illustrated through the lifelines of Nathaniel Hanauer. Nathaniel, also known as Sally, was born on May 1st of 1875 in Richen (Baden) as a son of Moses Hanauer and his wife Fanny, which was born in Allersheim. He was supposedly named after his maternal grandfather, the Allersheim rabbi Nathaniel Gabriel Weissbart.

Little is known about how Nathaniel grew up. The next time he can be found in the records, he was already grown up and lived in Frankfurt on the Main as a banker. Here he lived together with his wife Ella, a born Hess, whom he had married on September 7th of 1900 in Frankfurt, and their two children Frieda and Arnold. Hanauer actively participated in social life and e.g. donated 3 Mark to the Creiznach Foundation when one of his children was accepted to the Frankfurt Philantrophin on March 1st of 1909.

One of the most tragic chapters of his life was World War I. Around 1915 Nathaniel Hanauer had been enrolled and was stationed on the Eastern Front, where he was responsible for the troop’s provisions. As early as 1914 Nathaniel had tried to gather news about his brother-in-law, who had gone missing on the Eastern Front and was thought to be kept as a Russian prisoner of war. At home further trouble awaited Nathaniel when a court sentenced him to a fee of 1000 Mark for selling crops for prices that exceeded the maximum during wartimes. Hanauer had already bought the crops for a higher price than legal and had sold it to a foreign company for a small profit. But all of this was upstaged on November 9th of 1915. In Grodno, far away from home, Nathaniel found the grave of his brother-in-law after he had asked for him at the local jewish community. Hanauer was only in Grodno by chance with his troop and now had to pass on the sad news to his family. He asked them to be there for the wife of the deceased and bring her the message. This pain could not be eased by the fact that Hanauer was awarded the Hessian bravery medal for his duties in the war on May 24th of 1918.

Since the 1910s Nathaniel Hanauer ran a Foragestore under the address Sandweg 5 in Frankfurt. How much the war had shaped him can be seen that in 1922 he not only donated money to the Rabbi Dr. Nobel Rememberance Grove but also 500 RM for the hungry in Soviet Russia. During the 1930s Hanauer and his business moved to Röderbergweg 65.

But a calm life was not granted to him. The horrors of national socialism did not spare Frankfurt and forced the family to increasingly look for an opportunity to emigrate. On April 21st of 1939 Ella and Nathaniel registered in the Argentinian metropolis of Buenos Aires. Here, far away from Germany, Nathaniel Hanauer died in 1950.

 

Quellen

 

E-Mail-Auskunft von Petra Binder (Stadtarchiv Richen).

Rosenthal, Naomi M.: Searching for Hugo. Berkeley 2014.

Geburten-, Sterbe- und Eheregister der Jüdischen Gemeinde Allersheim.

Programm der Realschule der israelitischen Gemeinde Philantrophin (Realschule und höhere Mädchenschule) zu Frankfurt a. M. Ostern 1909. Frankfurt 1909.

Kleine Presse vom 01.04.1915.

Neue Jüdische Presse vom 24.05.1918.

Adressbuch für Frankfurt am Main und Umgebung 1913.

Neue Jüdische Presse vom 02.03.1922.

Der Israelit vom 27.07.1922.

New York Passenger and Crew Lists, 1909, 1925-1957. 6078 – vol 13087-13088, Nov 15, 1938.

Jewish Museum of Maryland. Oral History Collection OH 0094.

Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden Nr. 518/13737.

Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden Nr. 519/3 25.902.

Geni – Genealogische Datenbank.