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Schwitzbaden, Schröpfen und Kurieren - Virtuelle Eröffnung der Ausstellung zum Baderhandwerk

Ein Bader lässt eine Frau zur Ader. Hans Dirmstein 1471, Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, Frankfurt am Main

Bader beim Schröpfen. Holzschnitt aus Jost Amman´s „Eygentliche Beschreibung aller Stän-de auff Erden …“, erstmals Frankfurt am Main 1568

Schröpfszene in einer Badstube, Abbildung aus den Hausbüchern der Mendelschen Zwölf-brüderstiftung 1612, Stadtbibliothek Nürnberg

Hans Wertinger Badstubenszene: Im Vordergrund schröpft der stehende Bader die beiden sitzenden Männer. 1516 bis 1525, Germanisches Nationalmuseum, Foto Monika Runge

Das Badhausforschungsteam des Fränkischen Freilandmuseums (Archivar Ralf Rossmeissl, Museumleiter Dr. Herbert May, wiss. Volontär Felix Schmieder, Restaurator Frank Wittstadt, Historikerin Dr. Susanne Grosser nicht im Bild) bei der virtuellen Eröffnung der Ausstellung "Bader in Franken", Foto Margarete Meggle-Freund

Am Montag, dem 18. Mai, eröffnet das Fränkische Freilandmuseum des Bezirks Mittelfranken wegen der derzeitigen Kontaktbeschränkungen seine neue Sonderausstellung zum Baderhandwerk in Franken per Video im virtuellen Raum. Die Bader sorgten vom Spätmittelalter bis in das 20. Jahrhundert hinein für die Gesundheitspflege und wundärztliche Versorgung m Land.

„Bader“ ist im deutschsprachigen Raum ein weit verbreiteter Familienname. Das spiegelt wider, dass es im Spätmittelalter eine flächendeckende Versorgung mit Badstuben gab. Nur ein handwerklich ausgebildeter, geprüfter und in der Zunft organisierter Bader durfte eine Badstube betreiben. So finster und dreckig kann das Mittelalter also gar nicht gewesen sein. Das Badhausforschungsteam des Fränkischen Freilandmuseums begleitet den Wiederaufbau des mittelalterlichen Badhauses aus Wendelstein, das nächstes Jahr im Museum wieder in Betrieb genommen werden soll. Als Vorgeschmack darauf präsentiert das Team seine Forschungsergebnisse zum fast vergessenen Berufsstand der Bader in Franken nun in einer Ausstellung zum Baderhandwerk.

Im Spätmittelalter war es bei Armen und Reichen üblich, das Badhaus zu besuchen. „Seelbäder“ waren Stiftungen, die es auch Armen ermöglichten, ins Badhaus zu gehen. Nach dem Verständnis der „Säftelehre“ galt es, überflüssige Körpersäfte loszuwerden. Wege dazu waren zum Beispiel der Aderlass, aber auch Schwitzen und Schröpfen. Gesundheit stellte man sich als das Gleichgewicht der Säfte vor. Der Bader bot im Badhaus ein Schwitzbad an – ähnlich unserer heutigen Sauna. Im großen Badeofen wurden heiße Steine mit Wasser übergossen, so dass die Badegäste kräftig in Schwitzen kamen. Waren sie dann erwärmt und gut durchblutet, ließen sie sich häufig vom Bader blutig schröpfen. Dazu ritzte der Bader die Haut zunächst etwas an, dann setzte er den erwärmten Schröpfkopf auf. Durch den entstehenden Unterdruck saugte sich der Schröpfkopf fest und entzog kleine Mengen Blutes aus der Haut. Haare waschen, schneiden und Rasieren rundeten den Badhausbesuch ab.

In einem nachgebauten hölzernen Schwitzkasten, der zur Behandlung Kranker diente, können die Besucher der Ausstellung selbst einmal Platz nehmen. Ab dem 16. Jahrhundert nahmen die Badetage in den öffentlichen Badstuben immer mehr ab. Wer auf sich hielt, legte sich stattdessen ein privates Badstübchen zu. Eine Rolle spielten auch die steigenden Holzpreise und die Angst vor der Übertragung der Syphillis. Für die Bader wurde somit ihr zweites Standbein als Wundärzte immer wichtiger.

Seit dem Hochmittelalter galt eine von der Kirche vorgegebene Trennung: die innere Medizin oder „Leibarznei“ betrieben studierte Ärzte, die Wundarznei hingegen blieb den handwerklichen Badern oder Barbieren überlassen. So war mancher Bader auf das Zähneziehen spezialisiert. Kleine chirurgische Eingriffe, wie beispielsweise das Öffnen von Abszessen oder die Behandlung von Furunkeln, übernahmen ebenfalls die Bader. Zahnzangen, Aderlassbestecke oder auch eine Amputationssäge für größere Operationen zeugen von der umfassenden wundärztlichen Tätigkeit der Bader. Solche seltenen wundärztliche Gerätschaften sind als kostbare Leihgaben in der temporären Ausstellung zu sehen.

Die Bader standen in Konkurrenz mit den studierten Ärzten. Manch ein durchaus versierter Chirurgus, wie Doktor Eisenbarth, bot seine Künste auf Jahrmärkten durchs Land ziehend an. Aber auch Quacksalber waren als Heiler tätig. In Windsheim beschwerte sich 1740 der Bader Bäumler beim Rat der Stadt, dass „allhiesiger Scharfrichter sich unterstand … Schäden zu verbinden und seine Quaksalberey … zu parcticieren,“ Der Henker gab daraufhin zu Protokoll, dass er sich mit äußerlichen Kuren auskenne, denn, „ein Scharfrichter müsse soviel verstehen, daß wann ein Inquisit [Angeklagter] in die Tortur komme, und ihm seine glieder verrenkt wurden, er solche wieder in die vorige positur bringen könne.“

Die Bader sorgten für eine medizinische Grundversorgung in der Fläche. Auf dem Land gab es bis ins 19. Jahrhundert hinein kaum studierte Ärzte. Die allerletzten fränkischen „Boder“ zogen noch im 20. Jahrhundert Zähne oder öffneten Abszesse, wie uns Zeitzeugen in einer Hörstation sehr anschaulich berichten.

Die spritzig und farbenfroh gestaltete Ausstellung ist nicht nur inhaltlich interessant, sondern auch ein optisches Vergnügen. Einzelbesucher können die Ausstellung im Freilandmuseum besichtigen. Aber auch von zu Hause aus ist die virtuelle Eröffnung mit ausführlichen Informationen zum Baderhandwerk und Einblicken in die Entstehung der Ausstellung auf Instagram, Facebook und auf der Webseite des Museums www.freilandmuseum.de zu erleben.