Töpfla, Brunzhafen, Potschamber – stinkt's hier wem?
In gut einem Monat, am 19. November, ist wieder Welttoilettentag. Was erst einmal lustig klingt, hat einen durchaus ernsten Hintergrund im Einsatz für weltweit verbesserte hygienische Standards, müssen doch noch immer 3,5 Milliarden Menschen ohne ausreichende sanitäre Ausstattung leben. Wir wollen hier diesen Tag zum Anlass nehmen, uns eine weitere Objektgruppe aus dem Bestand der keramischen Sammlung des Freilandmuseums einmal näher anzusehen, die wie das zuvor in diesem Blog besprochene Alltagsgeschirr der Gebrauchskeramik zuzurechnen ist, wenn auch freilich in gänzlich anderem funktionellen Kontext: Die Rede ist von den Nachttöpfen, auf Fränkisch – teils beinahe liebevoll, teils aber durchaus recht deftig – unter anderem auch Töpfla, Brunzhafen oder Potschamber (vom Französischen „pot de chambre“= „Zimmer-Topf“) genannt.
Auch bei einem Spaziergang durch die Häuser des Museums begegnen Nachttöpfe den Besuchern in fast jeder Schlafkammer und jedem „Kabinettla“, ob unter den Betten oder auf Kommoden und Schränken. Kein Wunder – denn innenliegende Toiletten sind eine wahrhaft späte Errungenschaft. In Bauernhäusern hielten sie meist erst im 20. Jahrhundert Einzug, zuvor waren sie ein nur in Amts- oder Pfarrhäusern zu findendes Privileg. Wer des Nachts also nicht ins verbretterte Aborthäuschen neben der Dunggrube oder in den Stall wollte, griff, ’Duftnote’ hin oder her, nur allzu gern zum Nachttopf.
Wie ein Blick in die Sammlung zeigt, gab es Nachttöpfe in unterschiedlichster Ausgestaltung (vgl. Abb. 1–4): von ganz schlicht weißen Exemplaren über solche mit Goldrand hin zu aufwendigeren floralen Dekors, und bis sogar zu Varianten mit Deckel. Einzig ihre Grundform ist fast immer gleich, indem die weite Öffnung, die mehr oder weniger bauchige Wandung, der für einen stabilen Stand ausreichende Bodendurchmesser sowie der Henkel gleichsam durch Funktion und menschliche Anatomie vorgegeben sind. Schaut man sich freilich den Mündungsrand genauer an, erkennt man unschwer, dass Bequemlichkeit oder ein besonderer Sitzkomfort sicher nicht immer gegeben waren …
Angesichts dessen, dass Nachttöpfe einerseits mit ’unappetitlichen’ Verdauungsvorgängen und nicht eben Wohlgerüchen assoziiert werden, andererseits aber über Jahrhunderte geradezu unverzichtbar waren, ist es kaum überraschend, dass uns auch rückblickend eine Art von Hassliebe mit ihnen zu verbinden scheint. Die freundlich-niedliche Verkleinerungsform „Töpfla“ verwendet man noch heute gern fürs Kindertöpfchen; „Brunzhafen“ dagegen war (und ist womöglich noch) auch als übel gemeinte Beschimpfung für ungeliebte Mitmenschen in Gebrauch. Von der „Faszination Nachttopf“ zeugen zudem nicht wenige private Sammler, die sich gerade diesen Objekten verschrieben haben und oft mehrere Hundert davon ihr Eigen nennen.
Ganz so umfangreich ist der Nachttopf-Bestand des Freilandmuseums zwar nicht, aber er bietet doch einen guten Querschnitt – und ermöglicht Leihgaben in Sonderausstellungen, die sich diesem zuletzt auch in Museen der Region wieder vermehrt behandelten Themenkreis widmen: so vor kurzem in die Ausstellung „Drauf geschissen! Eine kleine Kulturgeschichte des stillen Örtchens“ im Römerpark Ruffenhofen oder aktuell in die Ausstellung „Unter Druck. Die Geschichte der Zugtoilette“ im DB Museum in Nürnberg.
Quellen | Konrad Bedal / Simon Kotter / Herbert May u. a.: Häuser aus Franken. Museumshandbuch für das Fränkische Freilandmuseum des Bezirks Mittelfranken in Bad Windsheim. Bad Windsheim 2019, hier S. 31 („Hygiene im Haus“). | Deutsches Landwirtschaftsmuseum Schloss Blankenhain (Hrsg.): Von Abort, Lokus und heimlich Gemach. Anmerkungen zu Kulturgeschichte und Räumlichkeiten der Notdurft (Hefte zur Geographie und Geschichte der Kulturlandschaft). Blankenhain 2008. | Mila Schrader: Plumpsklo, Abort, stilles Örtchen. 2. Auflage, Suderburg-Hösseringen 2006. | Birgit Speckle: Vom Nachttopf zum Laserklo. Zur Kulturgeschichte der Fäkalienentsorgung. In: F. Lobenhofer-Hirschbold / A. Weidlich (Hrsg.): Sauber! Hygiene früher in Oberbayern. Eine Annäherung an historische Wirklichkeiten. München 1995, S. 52–70. | https://www.un.org/en/observances/toilet-day [letzter Aufruf: 24.09.2024] (Informationsseite der United Nations zum Welttoilettentag) | https://bdo.badw.de/ [letzter Aufruf: 24.09.2024] (BDO/Bayerns Dialekte online, inkl. einem Fränkischen Wörterbuch; Datenbank der Bayerischen Akademie der Wissenschaften) | https://www.rhein-zeitung.de/region/aus-den-lokalredaktionen/rhein-hunsrueck-zeitung_artikel,-vom-blumenuebertopf-zu-mehr-als-700-nachttoepfen-besonderes-museum-in-laudert-_arid,2534991.html [letzter Aufruf: 24.09.2024]