Zum Hauptinhalt springen

Wenn die Kirchenglocken nach Rom fliegen...

„Wir ratschen, wir ratschen zum englischen Gruß, damit ein jeder Christ beten muss. Fallet nieder auf eure Knie, betet ein Vaterunser, drei Ave Marie.“ – Sprechvers zum Klappern

Die Ratsche ist ein Holzkasten. Auf dem Holzkasten sind Holzleisten und eine Kurbel. Die Kurbel zieht an den Holzleisten. Die Holzleisten schlagen auf den Kasten. Es ist ein lautes Knallen zu hören.

Mutmaßliche Karfreitagsratsche für Kirchtürme, tatsächliche Nutzung des Objekts unbekannt. Inv.nr. 22/500; freundliche Sachspende von Gerd Kohlstruck. (Foto: Frank Wittstadt)

Vier Jungen laufen auf der Straße. Sie tragen Ratschen. Sie klappern und machen Krach.

Ratschenbuben in Großlangheim (Landkreis Kitzingen) im Jahr 1969. (Foto: Otto Beck; Bildarchiv des Fränkischen Freilandmuseums)

Vier Jungen stehen auf der Straße. Sie tragen Kastenratschen. Mit den Ratschen machen sie Krach.

Ratschenbuben in Großlangheim (Landkreis Kitzingen) im Jahr 1969. (Foto: Otto Beck; Bildarchiv des Fränkischen Freilandmuseums)

Wer in einer katholisch geprägten Gemeinde lebt, kennt sie vielleicht noch heute: die Karfreitagsratsche, auch Klapper, Rumpel oder schlicht nur Ratsche genannt. Ab Karfreitag, auch „Stiller-Freitag“, verstummen die Glocken der Kirchtürme bis zur Auferstehung Christi am Ostersonntag. Um diese Stille den Kindern zu erklären, wurde ihnen häufig erzählt, dass die Glocken für den Segen des Papstes nach Rom geflogen seien.

Ohne Glocken muss aber auf andere Weise auf den Gottesdienst aufmerksam gemacht werden. Diese Aufgabe wird von den Karfreitagsratschen übernommen. Durch das Drehen der Kurbel setzt sich eine zylindrische Achse mit Holzstücken, den Zapfen, in Bewegung. Die Zapfen heben nacheinander fünf Hämmer an, so dass diese zurück auf den Kasten schlagen. Es entsteht ein ohrenbetäubender Lärm.

Bis heute ziehen Gruppen von Kindern mit kleinen Ratschen durch ihr Dorf und machen mit Sprechversen und Lärm auf sich aufmerksam. Als Lohn erhielten sie früher Eier und Trockenobst, heute häufig Süßigkeiten. Das hier zu sehende Beispiel war zum Tragen sicher zu groß – solche Ratschen wurden zusätzlich auf Kirchtürmen gedreht und unterstützten die Arbeit der Kinder.

Kastenratschen kamen aber nicht nur um Ostern zum Einsatz. Sie wurden auch im Obst- oder Weinbau genutzt, um Vögel zu vertreiben.