Windsheimer Werkzeug für die Cadolzburg!
Frau Dr. Piereth, wir vom Fränkischen Freilandmuseum in Bad Windsheim und unsere Besucher*innen möchten Sie gerne kennenlernen – könnten Sie sich zu Beginn bitte kurz vorstellen und uns Ihren beruflichen Werdegang bis hin zur Bayerischen Schlösserverwaltung skizzieren?
Mein Name ist Uta Piereth, ich habe Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik studiert und anschließend ein klassisches Museumsvolontariat (eine Art zweijähriges Referendariat im Museumsbereich) in Regensburg gemacht. Über verschiedene Museumsstationen in Anstellungen und freiberuflicher Tätigkeit im Freistaat sowie bei großen kommunalen Trägern bin ich dann zur Schlösserverwaltung gekommen und habe dort eine Reihe von musealen Dauerausstellungen neu konzipiert und eingerichtet. Zuletzt die auf der Cadolzburg.
Ein paar grundlegende Fragen zur Bayerischen Schlösserverwaltung: Wie groß ist sie? Was kann man sich darunter vorstellen? Wie viele Gebäude gibt es und wie viele davon sind als Museum eingerichtet? Gibt´s da auch noch andere?
Die Schlösserverwaltung hat insgesamt 45 Liegenschaften, das sind vorderhand Häuser, Schlösser, auch Künstlerhäuser und Denkmäler sowie natürlich Burgen. Die meisten von ihnen funktionieren als Museen, d.h. es sind Teile oder alle Räume im Rahmen von geregelten Öffnungszeiten mit Führungsbetrieb oder im freien Rundgang zu besichtigen. Was darüber hinaus zu uns gehört, sind sehr, sehr viele Parkanlagen, die teilweise unmittelbar zu den Schlössern dazugehören, teilweise aber auch selbständig sind, wie der Englische Garten. Und dann gehören noch Seen dazu. Das alles stammt aus dem ehemaligen Krongut, also dem Besitz der wittelsbachischen Herrscher. Als das dann in den staatlich-öffentlichen Besitz überging, brauchte man auch eine adäquate Betreuung, sowohl der musealen und gärtnerischen, wie auch der Verwaltungsseite. Das alles zusammen macht die Bayerische Schlösserverwaltung aus.
Wie kann man sich ihren Arbeitsalltag vorstellen, quasi ein „typischer Tag“ in der Schlösserverwaltung?
Ein typischer Tag bei mir… Zwei bis drei Tage pro Woche bin ich auf Dienstreise, entweder in der von mir betreuten Cadolzburg oder woanders, denn ich habe noch ein großes Querschnittsreferat. Dieses beschäftigt sich mit der Bildung und Vermittlung in allen 45 bayerischen Schlössern, Burgen und Häusern, d. h. ich bin sehr viel unterwegs. Ich betreue Veranstaltungen, halte den Kontakt zu den Kolleg*innen, überlege mir neue Konzepte, was man noch machen könnte. Wenn ich allerdings in München am Schreibtisch sitze, dann bin ich unglaublich viel am Telefon und halte unglaublich viel Mailkontakt mit allen Kolleg*innen und Partner*innen, die an den verschiedenen Häusern mit uns zusammen versuchen, etwas voranzubringen. Ab und zu gibt es ruhige Nachmittage, an welchen ich versuche, in der Dienstzeit in Literatur zu lesen, um wissenschaftlich noch den ein oder anderen Aspekt zu vertiefen. Meistens findet das aber tatsächlich außerhalb der Dienstzeit statt, wo ich dann erst die Ruhe dazu habe.
Sie sind darauf eingegangen, dass viel mit Kolleg*innen abgestimmt wird. Im Hinblick auf die Leihgaben aus dem Freilandmuseum: Gibt es in der Schlösserverwaltung eine Abteilung „Sammlung“ oder wie ist sie intern strukturiert?
Das ist bei uns alles ein bisschen anders strukturiert. Es gibt für jedes Haus (z.B. auch bei der Cadolzburg), eine*n Museumsreferent*in, welche*r für alle musealen Belange mehrerer Häuser zuständig ist – normalerweise ist das der Direktor eines Museums. Dazu gibt es einen Referenten, der für alle Gartenbelange und noch einen, der für sämtliche Baubelange zuständig ist. Zusätzlich gibt es große Querschnittsabteilungen oder Referate, dazu gehört zum Beispiel die Inventarverwaltung, die sich um die Inventarisierung kümmert und alles im Blick hat. Dazu gehören z.B. auch die Depotwarte. Das läuft über allen Museumsreferaten und ist somit eine etwas andere Konstruktion, als in normalen Museen, in welchen es ein Haus und jeweils eine ganze Abteilung dafür gibt.
Heißt das, es gibt einen eigenen Bestand an Objekten der Schlösserverwaltung oder wird bei Ausstellungen überwiegend mit Leihgaben gearbeitet?
Nein, nein… Das ist bei uns grundsätzlich sehr anders! Wir haben ja Raumkunstwerke und das sind außer der Raumhülle sehr viele, unmittelbare diesem Raum und diesem Ort zugeordnete Möbel, Lüster, Keramiken usw. Die sind in den meisten Fällen vor Ort, dort wo sie hingehören, von Anfang an untergebracht und zu sehen – und nur, wenn etwas restauriert wird oder vielleicht im Laufe der Jahrzehnte oder Jahrhunderte mal seinen ursprünglichen Platz verlassen hat, dann kann es sein, dass es woanders zu finden ist. Ob ein Stuhl, ein Baldachin oder eine Tapisserie: Wir bemühen uns allesamt, die Dinge möglichst an ihre ursprünglichen Orte zurückzuführen und zu zeigen, damit dort auch wieder das Raumkunstwerk als Ganzes erfahrbar wird.
Für Sonderausstellungen werden, bestimmt ähnlich zu anderen Museen, auch hin und wieder Leihgaben angefragt. Wie kamen Sie denn jüngst aufs Freilandmuseum?
Wir haben keine sehr große Aktivität mit Wechselausstellungen, da wir eben mehr mit Raumkunstwerken arbeiten. Aber da gibt’s immer wieder auch mal Ausnahmen. Zu diesen Ausnahmen gehört an sich schon die Cadolzburg, weil wir da seit Eröffnung im Jahr 2017 einen kleinen Wechselausstellungsraum haben und uns in dessen Rahmen mit verschiedenen Themen beschäftigen, die auf der Burg in der Dauerausstellung angesprochen werden, aber nicht so intensiv vertieft werden können. Dazu gehört nun tatsächlich seit Sommer dieses Jahres das Thema: »Mehr als Stein. Holz im mittelalterlichen Burgbau«. Wie ist das denn mit Stein oder Holz oder den anderen Materialen, aus denen die Burgen in der Regel gemacht wurden? Wir haben festgestellt, dass die meisten Leute eine gewisse Geringschätzung für das sehr, sehr elementare und wichtige Baumaterial des Holzes haben. Da sind wir an vielen Stellen bei uns im Haus fündig geworden, auch vor Ort in der Cadolzburg, aber was uns komplett fehlte, ist etwas, was das Freilandmuseum in besonders reichhaltigem und qualitätvollem Umfang hat. Und dann ist Folgendes passiert, was man in der Regel immer so im Museumsbereich macht: Wenn man selbst eine Lücke auf der Objektebene hat, weiß aber, eine kollegiale Instanz in der näheren oder weiteren Umgebung, z.B. ein anderes Museum, verfügt über Schätze, die wichtig wären, um das Thema komplett zu erklären – wie in diesem Fall Werkzeuge – dann fragt man diese Leihgaben dort an. Also man klärt, ob sie grundsätzlich bereit und in der Lage sind, uns für eine bestimmte Zeit etwas aus ihrem Bestand zur Verfügung zu stellen. Dann schauen die Kolleg*innen nach, überlegen und wägen ggf. Objekte und Alternativen ab, weil Manches besser passt oder leichter zu verleihen ist. Dann kommt man auf einer zweiten Stufe ins Gespräch, klärt alle Einzelheiten ab und zum Schluss steht ein Leihvertrag fest, den beide Seiten unterschreiben. Anschließend wird, meistens von Fachpersonal des jeweiligem leihgebenden Museums begleitet, jemand an den Ort geschickt, an dem die Ausstellung stattfindet. Der*Diejenige bringt und eskortiert die Leihgaben und sieht dabei zu, wie sie an Ort und Stelle in die Vitrine oder am Ausstellungsplatz verankert und mit Objektbeschilderung versehen werden. Dann kann er*sie wieder beruhigt von dannen ziehen, dann hat alles gut geklappt. Während der Laufzeit bleibt man in Kontakt, tauscht sich auch mal aus, wie die Objekte bei den Besucher*innen ankommen und am Ende der Ausstellung geht das ganze wieder rückwärts. Dabei gibt’s auch eine Prüfung, ob etwas während der Leihdauer Schaden genommen hat oder nicht. Wenn alles gut ist, werden die Objekte wieder in ihr Museum gebracht und dort in Depot oder Dauerausstellung zurückgestellt.
Bei einer Burg stellen sich viele Leute bestimmt ein kaltes, altes Gemäuer vor. Wie regeln Sie das konservatorisch bei Ausstellungen?
Da gibt es zwei Möglichkeiten: Für empfindliche Leihgaben haben wir die Präsentation im Inneren der Burg vorgesehen. Unsere Burg ist keine „normale“ Burg, sondern wahrscheinlich die komfortabelste und barrierefreieste Burg, die ich kenne (lacht). Weil eben durch die Zerstörungen so viele Baumaßnahmen in den 1980er, 1990er und eben 2000er Jahren nötig waren, konnte man sie so als Museum ausstatten und zugänglich machen, dass sie das ganze Jahr über geöffnet haben kann und Aufsichten, die darin arbeiten, keinen Kältetod erleiden müssen, sondern sich dank Fußbodenheizung in einer komfortablen Dauertemperatur aufhalten können. Es ist ganz gut möglich in den Innenräumen dort sicher Objekte zu präsentieren und sich als Besucher*in aufzuhalten und im Winter nicht zu erfrieren (lacht).
Sie haben schon erwähnt, dass die Cadolzburg keine „normale“ Burg ist. Bricht sie denn auch in anderer Art und Weise mit Vorurteilen oder romantisierenden Vorstellungen, wie es im Mittelalter zugegangen ist?
Ich denke, sie ist schon in vielerlei Hinsicht eine ungewöhnliche Burg. Die Aufgabenstellung war, ein „Burgerlebnis“ in dieser Burg zu schaffen. Nun war die Burg sehr stark zerstört nach 1945, d.h. sehr viel originales Mittelalter haben wir nicht mehr. Keine ganzen Raumausstattungen, keine Möbel. Was wir aber haben, was wir auch versucht haben zu nutzen, sind erstmals die Raumkurvaturen, viele Stellen, wo die Originalsubstanz erhalten ist und zu uns sprechen kann. Zum anderen haben wir ganz, ganz viele Quellen, weil die Burgherren sehr bedeutende Adelige aus der Familie der Zollern (bzw. Hohenzollern) waren, die dann später große deutsche Geschichte geschrieben haben. Das versuchen wir in Nachvollziehbares und Erlebbares umzusetzen. Wir geben Vorstellungshilfen auf unterschiedlichem Niveau, sowohl baulich, als auch inhaltlich. Entfernungen, wie weit damalige Waffen damals ins Gelände hinaus geschossen haben, können an einer Station erprobt werden, man kann mal ein paar Tanzschritte probieren oder kann Gewänder anziehen und fühlt sich gleich ganz anders dabei. Man kann etwas auf der Zunge wahrnehmen, von dem wir wissen, „das war das Lieblingskonfekt der Kurfürsten“. Wir versuchen mit allen Sinnen und allen möglichen technischen Hilfsmitteln das zu übersetzen, was wir an theoretischem Wissen aus der Zeit haben.
Zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Unter all den Projekten, die Sie in Ihrer Laufbahn schon gemacht haben – gibt es da ein Lieblingsprojekt oder eine Lieblingsburg?
Ich denke das ist schon die Cadolzburg. Wir haben so viel Energie, Ideen, Zeit und Engagement hineingesteckt und haben da so viele tolle Kooperationspartner*innen unterwegs kennenlernen dürfen... Wir erfahren jetzt, dass das 2017 nur ein Anfang war und dass es immer weiter geht, sodass mir wahrscheinlich jetzt doch einfach schon am Meisten an der Cadolzburg liegt.
Wir danken herzlich für das nette Interview!
Tipp: Unser Sammlungsreferent Markus Rodenberg M.A. wurde übrigens von Seiten der Bayerischen Schlösserverwaltung interviewed, wer das nachlesen möchte, wird auf dem Schlösserblog fündig! Besucht auch gerne unsere Objekte in der aktuellen Sonderausstellung »Mehr als Stein. Holz im mittelalterlichen Burgbau« im Burgerlebnismuseum in der Cadolzburg. Auch sonst ist die Burg immer einen Ausflug wert!
6. Oktober bis März: 10-16 Uhr (letzter Einlass 15.15 Uhr)
April bis 4. Oktober: 9-18 Uhr (letzter Einlass 17.15 Uhr)
Die Cadolzburg ist montags (auch an Feiertagen), sowie an folgenden Tagen geschlossen: 1. Januar, Faschingsdienstag, 24., 25. und 31. Dezember. Der Burggarten ist ganzjährig geöffnet. Mehr Informationen unter: https://www.burg-cadolzburg.de/