Zum Hauptinhalt springen

Behelfsheim aus Ottenhofen

20. Jahrhundert

Das Behelfsheim aus Ottenhofen wurde Ende 1944 von einem örtlichen Landwirt in seinem Garten erbaut. Hier zog im Februar 1945 die Schwägerin des Bauherrn mit zwei Kindern ein – der Vater war beim Luftangriff ums Leben gekommen, das Haus in Nürnberg zerstört. Das Haus wurde kaum verändert.


Eckdaten

Hausnummer:203
Ursprung:Ottenhofen, Markt Marktbergel, Landkreis Neustadt a. d. Aisch Bad Windsheim
Bauepoche:1944 (Inschrift)
Ausstellung:um 1955
Konstruktionsmethode:eingeschossiger Massivbau, Satteldach mit Biberschwanz-Doppeldeckung
Abbau:2015
Aufbau:2016
Baugruppe: 20. Jahrhundert
Steckbrief herunterladen (PDF)

Besonderheiten

Das Deutsche Wohnungshilfswerk (DWH)

Der Luftkrieg führte zu massiven Zerstörungen an Wohnraum, allein in den fränkischen Bezirken gingen über 100.000 Wohnungen verloren. Schon allein um die Kriegsmoral aufrechtzuerhalten, war das NS-Regime gezwungen, Unterkünfte für die Obdachlosen zu schaffen – auch, weil der zivile Wohnungsbauim Krieg generell untersagt war. Im September 1943 kam es zur Gründung des Deutschen Wohnungshilfswerks (DWH), das der Deutschen Arbeitsfront angegliedert war. Es förderte die Schaffung von Notwohnungen in bestehenden Gebäuden und die Errichtung von Behelfsheimen. Dabei handelte es sich um sehr kleine Siedlerstellen mit Selbstversorger-Garten. Die Häuschen enthielten eine, höchstens zwei Wohnungen, die innen nicht größer als 4,1 x 5,1 Meter sein durften. Bauen konnte man mit allen verfügbaren Materialien, Keller und ausgebaute Dachgeschosse waren verboten, Strom- und Wasseranschlüsse immerhin möglich. Jeder konnte Bauherr werden: Kommunen, Betriebe, aber auch Privatleute. Statt einer Baugenehmigung gab es eine Baukarte mit Bezugsscheinen. Fibeln und Broschüren sollten zum Hausbau motivieren und erklärten ihn selbst handwerklichen Laien bis ins Detail. Ansonsten wurden Behelfsheime auch in Handwerksbetrieben und Fabriken vorproduziert, z. T. auch in Konzentrationslagern. Das Behelfsheimprogramm war überall Thema, vielerorts entstanden einzelne Gebäude und sogar ganze Siedlungen. Da es an Arbeitskräften und Material fehlte, blieben die Ergebnisse dennoch weit hinter den von der Propaganda geschürten Erwartungen zurück. Im gesamten Reichsgebiet wurden groben Schätzungen zufolge etwa 100.000 Behelfsheime gebaut – letztlich nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Einige Behelfsheime blieben erhalten und sind in erweiterter Form manchmal sogar noch bewohnt.


Beschreibung

Kleinsthaus für Ausgebombte

Ein Haus, zwei Räume mit insgesamt 20 m², dazu ein Windfang und ein Abort mit Kübel – die Wohnbedingungen, die das Behelfsheim aus Ottenhofen bot, kann man sich aus der Perspektive des heutigen Wohlstandes kaum mehr vorstellen. Solche und oft weitaus schlechtere Verhältnisse bestimmten im Zweiten Weltkrieg und noch lange danach den Alltag vieler Evakuierter und Ausgebombter, Flüchtlinge und Vertriebener oder anderer Bevölkerungsgruppen, die Häuser und Heimat verloren hatten.

 

Das Haus blieb in der Familie

Das Häuschen wurde 1944 auf private Initiative hin vom Ottenhofener Landwirt Friedrich Hofmann (Inschrift am Giebel) auf einem Gartengrundstück am Ortsrand errichtet. Es entstand im Rahmen des Deutschen Wohnungshilfswerks (DWH), das die Schaffung von Notunterkünften für ausgebombte und evakuierte Stadtbewohner koordinierte, und entspricht in Maßen und Ausstattung relativ genau den Vorgaben. Warum Hofmann es baute, ist nicht bekannt – möglicherweise als Vorsorge für seinen Bruder Georg, der in der Nürnberger Innenstadt lebte und eine Metzgerei betrieb. Tatsächlich kam der Bruder beim verheerendsten Luftangriff auf Nürnberg am 2. Januar 1945 ums Leben, sein Haus wurde zerstört. Die Witwe Margarete Hofmann zog im Februar zusammen mit ihren Kindern Robert und Hannelore ins Behelfsheim ein. Die Einrichtung erfolgte teilweise aus eigenem Besitz, der entweder aus ihrem Nürnberger Gartenhaus geholt wurde oder bereits zuvor vorsorglich aufs Land verlagert worden war. Andere Dinge wurden mit Unterstützung der Verwandten oder gegen Vorlage von Bezugsscheinen zusammengetragen.

 

Zum Glück allein

Überhaupt hatte die Familie den Vorteil, sich durch die Verwandtschaft problemlos im Dorfintegrieren zu können und mitversorgt zu werden, ein deutlicher Unterschied zur Situation vieler anderer kriegsbedingt Zugezogener. Auch das Privileg, über eigene vier Wände zu verfügen und nicht in Dachkammern oder Baracken hausen zu müssen, war Margarete Hofmann bewusst, immer wieder betonte sie: »Gott sei Dank sind wir allein«. Sie half am Hof des Schwagers aus, ansonsten ermöglichten Näharbeiten und die Tätigkeit als Gemeindeschreiberin ein kleines Einkommen. Ein Garten am Ortsrand entlastete die Lebensmittelversorgung.

 

20 Jahre auf 20 Quadratmetern

Sohn Robert zog bereits Ende der 1940er Jahre wieder aus dem Behelfsheim aus, um eine Lehre zu beginnen; Tochter Hannelore folgte einige Jahre später. Margarete Hofmann selbst lebte noch bis 1964 in dem Behelfsheim, also fast 20 Jahre. Als alleinstehende Witwe konnte sie sich den Wiederaufbau des alten Hauses nicht leisten. Erst als die Stadt Nürnberg das Grundstück aufkaufte, war der Erwerb einer Doppelhaushälfte in Eibach möglich. Tochter Hannelore wohnte derweil noch einmal für kurze Zeit mit ihrem aus Ottenhofen stammenden Ehemann im Behelfsheim, bis das junge Paar eine Dienstwohnung in Marktbergel beziehen konnte. Es folgte noch eine alleinstehende Frau, die in dem Häuschen bis zu ihrem Tod im Jahr 1994 ein eher anspruchsloses Leben führte – für das Museum freilich ein Glücksfall, da es im Laufe der Jahrzehnte kaum verändert worden ist.

 

Im Museum

Das Gebäude kann weitgehend im Zustand seiner Erbauung gezeigt werden; im Wesentlichen mussten nur die Fenster, der Fußboden und die Wandgestaltung rekonstruiert werden. Die Einrichtung entspricht ungefähr dem Zeitschnitt Mitte der 1950er Jahre und wurde anhand von Aussagen der ehemaligen Bewohnerin Hannelore Hirth, geb. Hofmann, zusammengestellt. Dabei konnten auch originale Objekte verwendet werden, u. a. der große Schrank, die Nähmaschine, das Feldbett, der Vorratsschrank im Windfang und der Wehrmachtsspind im Schlafzimmer. Wie auch am alten Standort, gehört zum Behelfsheim kein eigener Garten, die mitgenutzte Rasenfläche des Nachbargrundstücks wird angedeutet.


Bilder


Bilder vom Ursprung


Summary (English)

The Behelfsheim (emergency home) from Ottenhofen was built in 1944 as part of a programme by the Deutsches Wohnungshilfswerk to erect small houses for the victims of wartime bombing raids. Our example here was originally built within the grounds of a farmer’s garden. It is a simple building with two rooms, a dug-out instead of a cellar, a front porch and outside toilet. The widow and two children of the farmer’s brother, who had lost his life during raids in Nuremberg, lived here from 1945 until 1964. After that, the building was inhabited until 1994 by an unmarried woman on her own and has been preserved more or less unchanged.


Zugänglichkeit

Insgesamt:Note: 1
Ergeschoss ist Barrierefrei:ja

Zurück