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Tagelöhnerhaus aus Marienstein

Mittelalter

Das Taglöhnerhaus aus Marienstein bei Eichstätt stammt von 1367. Vom ursprünglichen Gefüge haben sich einige Teile aus der Bauzeit erhalten, die in einem Stück übernommen werden konnten, darunter originales Lehmflechtwerk und die Decken über der Stube und der Kammer samt Lehmestrich. Die Stube mit ihrer strukturierten Farbigkeit stammt von 1560. Zum Anwesen gehörten keine Felder, weshalb die Bewohner als Taglöhner arbeiten mussten.


Eckdaten

Hausnummer:99
Ursprung:Marienstein, Stadt Eichstätt
Bauepoche:1367 (Jahrringdatierung), Umbau 1560 (Jahrringdatierung), aufgestockt 18. und 19. Jahrhundert
Ausstellung:Bauzeit, die Stube im Zustand nach dem Umbau des 16. Jahrhunderts
Konstruktionsmethode:Eingeschossiger Fachwerkbau mit zweireihigem Innengerüst, Satteldach mit Kalkplattendeckung
Abbau:1991-1992
Aufbau:1992-1994
Baugruppe: Mittelalter
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Besonderheiten

Wiederaufbau im Museum

Vom originalen Gefüge hat sich viel erhalten, sogar ein Teil des Lehmflechtwerks der Bauzeit 1367 konnte übernommen werden, ebenso wie die originalen Decken über Stube und Kammer (Lehmestrich auf Bohlenbelag). Während sonst der Zustand der Bauzeit für den Wiederaufbau verpflichtend war, bleibt im Museum die gemauerte Stube aus dem 16. Jahrhundert unangetastet, ja sie wurde sogar in einzelne Steinbauteile zerlegt übernommen. Das hat vor allem seinen Grund in der erst beim Abbau entdeckten, überraschend farbigen Gestaltung der Stube zu ihrer Bauzeit: farbige, in sich strukturierte, mit Begleitlinien abgesetzte Flächen und Streifen in Ocker und Rot gliedern die Stube waagrecht, Wandnischen und Ofen werden gesondert eingefasst. Der Eindruck zur Bauzeit muss bunt, ja fast prächtig gewesen sein – und das für doch sicher so gut wie unvermögende Leute! Soziales Gefälle drückt sich im Hausbau und der Hausausstattung offenbar nicht unmittelbar aus. Das Mariensteiner Haus stellt ein Kleinod spätmittelalterlicher ländlicher Bau- und Wohnweise dar, dem für diese soziale Schicht und diese Zeit bisher nirgends Vergleichbares zur Seite gestellt werden kann.


Beschreibung

Kleines Haus für kleine Leute

Auf 1367 lässt sich das Fälldatum des Holzes für das Häuschen aus Marienstein bestimmen, das gleiche Jahr wie für das Bauernhaus aus Höfstetten! Es lässt sich auch eine prinzipielle Verwandtschaft beider Häuser erkennen: das zweireihige Innengerüst sowie der etwa quadratische Grundriss mit seiner differenzierten Raumfolge in Stube, Küche, Kammer, Tennen und Stall. Im Detail sind die Unterschiede aber sehr beträchtlich. Das liegt wohl vor allem am sozialen und wirtschaftlichen Hintergrund: in Höfstetten ein vollgültiger Bauernhof, in Marienstein nur ein sog. Leerhäuslein, wie es in den Archivalien heißt, d. h. es gehörte kein Grund dazu. Die Besitzer übten notgedrungen zusätzliche Tätigkeiten aus, die nur z. T. bekannt sind: Taglohnarbeit bei anderen Bauern oder im gegenüberliegenden Prämonstratenserinnenkloster Marienstein, das allerdings erst 1450 gegründet wurde. Sie übernahmen Arbeiten im Steinbruch und als Schuhflicker – waren also alles andere als reiche, wohlhabende Leute. Das Mariensteiner Haus verkörpert so für das Mittelalter die untere soziale Schicht auf dem Dorf.

 

Konstruktive Besonderheiten

Unter dem für die Region Eichstätt typischen Legschieferdach findet sich eine außergewöhnliche, noch sehr altertümliche Konstruktion: Das Dach liegt direkt auf einem Innengerüst auf, wobei die beiden entsprechenden Säulenreihen gleichzeitig den zentralen Hausflur (Tennen) bilden. Eine Firstsäule gibt es nicht, stattdessen liegt die Firstpfette in sich kreuzenden Streben und besitzt statisch nur eine geringe Bedeutung. Für Lagerzwecke war der Dachraum nie vorgesehen, eine eigenständige Balkenlage fehlt. Von den vier Säulenpaaren stehen jeweils zwei in den Giebelwänden und zwei im Hausinnern. Die Verbindung zwischen Säulen und Rähm ist ebenfalls ungewöhnlich ausgebildet: Das Rähm ruht auf den breiten, gabelartig geschlitzten Säulenköpfen, eine an norwegische Stabkirchen erinnernde Konstruktion. Die Verzimmerung erfolgte ausschließlich mit Eichenholz, das z. T. noch ganz baumwüchsig gelassen und wenig bearbeitet erscheint, die Rinde ist noch in großen Teilen vorhanden.

 

Spätere Umbauten

So bescheiden das Häuschen anfangs war, erfuhr es doch über die Jahrhunderte eine ständige Aufwertung. Noch für das 14. Jahrhundert lässt sich der Einbau des kleinen Kellers nachweisen. Mitte des 16. Jahrhunderts folgte die »Versteinerung« der Stube, die vermuteten Bohlenwände wurden durch gemauerte Wände ersetzt, wodurch die Stube auch etwas an Raumgröße gewann. Im frühen 18. Jahrhundert schließlich wurde das Gebäude auf der Stubenseite um ein vollständiges Fachwerkgeschoss erhöht. Das Fachwerk verschwand dann im 19. Jahrhundert hinter einer Putzschicht, so dass äußerlich nichts mehr auf den mittelalterlichen Ursprung hinwies.


Bilder


Bilder vom Ursprung


Summary (English)

The peon's house from Marienstein near Eichstätt was erected in 1367. It is a one-story, half-timbered building with infills of clay and a flatly slanted roof that is roofed with ledges of chalk. Parts of the original infills have been preserved from the building time and could be taken over to the museum in one piece, among them original wattle and daub and the ceilings above the parlor and the chamber including the clay screed. The parlor in its current design is from 1560. To preserve its rich, internally structured colorfulness undamaged, it was translocated to the museum in whole. The owners could not nourish themselves from the thin earnings of their agriculture, they had to carry out additional work, for example as peons for other farmers. The archives speak of a „Leerhäuslein“, a building without additional acres, so the colorful, almost splendid, parlor surprises all the more.


Zugänglichkeit

Insgesamt:Note: 3

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