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Amtshaus aus Obernbreit

Mainfranken - Frankenhöhe

Das Amtshaus aus Obernbreit wurde 1554 erbaut, 1571 und 1588 umgebaut. Der mächtige Bau weist im Erdgeschoss Bruchsteinmauerwerk mit Quaderbemalung, im Obergeschoss teilweise reich verziertes Fachwerk auf. Es handelt sich um das Haus eines Dorfschultheißen, also einer Amtsperson, die in diesem Fall von den Grafen von Schwarzenberg als Vertretung eingesetzt wurde. Die Vertäfelung der Stube im Obergeschoss unterstreicht den repräsentativen Anspruch des Schultheißen, der zugleich aber auch Bauer und zeitweise Bäcker war.


Eckdaten

Hausnummer:43
Ursprung:Markt Obernbreit, Landkreis Kitzingen
Bauepoche:Erdgeschoss 1554 (Inschrift), Obergeschoss 1471 (Jahrringdatierung) bis 1588 (Inschrift)
Ausstellung:16. bis 18. Jahrhundert, nicht einheitlich
Konstruktionsmethode:zweigeschossiger Bau mit massivem Erdgeschoss und Fachwerkobergeschoss, Satteldach mit Biberschwanz-Einfachdeckung
Abbau:1993-1994
Aufbau:1994-2002
Baugruppe: Mainfranken - Frankenhöhe
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Besonderheiten

Zwischen Herrschaft und Untertan: der Schultheiß

Wer weiß denn noch, was sich hinter dem weitverbreiteten Familiennamen Schultheiß verbirgt? Wer kennt die Funktion des Schultheißen, woanders auch Schulthes, Schulze oder Vogt genannt? Der Schultheiß war im gewissen Sinn der verlängerte Arm des Ortsherrn im Dorf, insbesondere war er verantwortlich für die Einziehung der »Schulden«, also der Abgaben in Geld oder Naturalien, und für die Einhaltung der verschiedenen Pflichten. Bei der Weinlese und beim Keltern im Hof hatte er über die Untertanen seiner Herrschaft im Dorf Aufsicht zu führen, vor allem darauf zu achten, dass die Abgaben entsprechend dem Ertrag abgeführt wurden.

 

Herrschaftliche Rechte im Dorfe vertreten zu müssen, war keine dankbare Aufgabe, der Schultheiß konnte leicht zwischen alle Stühle geraten, zumal es im Dorf ja auch noch den oder die gewählten Bürgermeister gab. Zwar war er im gewissen Sinne Beamter – aber nur in ganz großen Orten auch wirklich mit einer angemessenen Bezahlung. In den meisten Fällen (wie auch in Obernbreit) war es nur ein »Nebenamt«, der Schultheiß war selbst zugleich Bauer, wohl aber kein unbedeutender. In Dörfern mit mehreren Grundherrschaften gab es auch mehrere Schultheißen, die die Rechte ihrer jeweiligen Herrschaft zu vertreten hatten, und wenn ihr nur wenige Bauern zugehörten, dann war auch die Bedeutung des Schultheißenamtes gering. Letzteres trifft auf das Obernbreiter Haus zu, denn den Schwarzenbergern waren hier nur wenige Anwesen zinspflichtig, während der ansbachische ( bzw. markgräfliche) Schultheiß, der immerhin rund 50 Prozent der Einwohnerschaft vertrat, weit bedeutender war – noch im 18. Jahrhundert hat er sich ein großes neues Steinhaus bauen können. Kurzum: das Schultheißenamt allein erklärt die einstige Prächtigkeit des Hauses nicht hinreichend.


Beschreibung

Komplizierte politische Verhältnisse

Das Nebeneinander verschiedener Herrschaften war typisch für viele fränkische Dörfer, durchgesetzt wurden die herrschaftlichen Rechte und Interessen vor Ort durch den jeweiligen Schultheißen. In Obernbreit gab es davon bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation bis zu vier Stück – jeweils mit eigenem Amtshaus. Nach dem ansbachisch-brandenburgischen (Ober-) Schultheißen vertrat der Seinsheimer bzw. später Schwarzenberger Schultheiß die nächstbedeutendste Grundherrschaft im Dorf. Erbaut hat das Haus mit der Hausnummer 58 wohl Anton Conrad, der sich in Obernbreit seit 1544 nachweisen lässt. Ob er schon Seinsheimer Schultheiß war, bleibt ungewiss, sicher nachweisen lässt sich dies erstmals 1617 für Andreas Conrad.

 

Schultheiß, Bauer, Bäcker

Der mutmaßliche Bauherr Anton Conrad, Bauer und Mayster (Bäckermeister), war ein strebsamer und offenbar einflussreicher Dorfbürger, er arbeitete sich systematisch bis zum »ersten Magelherrn« (Ratsherrn) empor, so dass er in der Ortshierarchie nach den zwei Bürgermeistern stand. Er hatte das Amt des Gotteshauspflegers inne und wurde mehrfach zum Gemeindebäcker (»Heimbecken«) bestimmt – was er aber vermutlich nur im »Seinsheimer Viertel« des Ortes war, da es daneben auch »Ansbacher Becken« gab. Es überrascht überhaupt, welche Bedeutung das Bäckergewerbe in Obernbreit (und in anderen großen Maindörfern) besaß. 1620 wird wiederum ein Bäcker Paul Conrad erwähnt. Jedenfalls war die Familie Conrad, von der sich Namensträger bis heute in Obernbreit finden, im 16. /17. Jahrhundert als Seinsheimische/Schwarzenbergische Schultheißen, Bauern, Bäcker und vielleicht auch Wirte über mehrere Generationen auf dem Amtshaus gesessen.

 

Von Seinsheim zu Schwarzenberg

1643 lösten die Schwarzenberger die mit ihnen eng verwandten Seinsheimer in der Herrschaft ab. Bei diesen Grafen, die sich von der Burg Schwarzenberg bei Scheinfeld herleiten, handelt es sich um eines der wichtigsten Adelsgeschlechter des Alten Reichs: Schwarzenberger stellten seit dem 17. Jahrhundert immer wieder Kanzler des Kaisers, wirkten am Wiener und Prager Hof (»Schwarzenberg-Palais« in Wien, Prag, Graz u. a.), bauten sich dort auch großen Grundbesitz auf – und besitzen bis heute sowohl das Schloss Schwarzenberg über Scheinfeld als auch Schlösser in Böhmen und der Steiermark. Von diesen fast international zu nennenden Beziehungen verweist am Haus aus Obernbreit lediglich das Wappen der Seinsheimer mit dreifach in Silber und Blau geteiltem Schild (aus dem sich das vierfach geteilte der Schwarzenberger entwickelt hat) auf die herrschaftliche Bedeutung.

 

Amtshaus und Bauernhof

Ein Schultheiß war nicht nur Amtsperson, er war vor allem auch Bauer, sein Amtshaus war also zugleich Teil einer bäuerlichen Hofstelle. Freilich, der mächtige, gemauerte Unterbau mit dem rundbogigen Einfahrtstor und der ungewöhnlichen aufgemalten Diamantquaderung fällt auf den ersten Blick genauso aus dem bäuerlichen Rahmen wie die Renaissancevertäfelung in der Stube im Obergeschoss. Doch ist sie keineswegs so prächtig wie die der Ratsstube im benachbarten, ganz den Schwarzenberger gehörenden Marktbreit. Und auch sonst lässt die Bauausführung an vielen Stellen Qualität vermissen – es gibt Bauernhäuser der Zeit und Gegend, die durchaus sorgfältiger, reicher und überwiegend auch mit Eichenholz gezimmert sind. Das wurde beim Schwarzenberger Amtshaus nur für das Zierfachwerk am Giebel- und Stubenbereich verwendet, ansonsten herrscht Nadelholz vor, geflößtes Nadelholz übrigens, wie sich an bestimmten Spuren zweifelsfrei erkennen lässt. Es wurde wohl im Frankenwald gehauen und dann den Main abwärts bis nach Marktbreit, dem Schwarzenberger Floßhafen, gebracht.

 

Komplizierte Baugeschichte

Gänzlich klären lässt sich die offenbar bereits in der Mitte des 16. Jahrhunderts beginnende Baugeschichte wegen verschiedenster späterer Umbauten nicht mehr. Es scheint so, als wäre das heutige Amtshaus nur ein Torso, der den Dreißigjährigen Krieg überlebt hat, zuvor aber größer war. Auch die Besitzergeschichte bricht wegen fehlender, im Zweiten Weltkrieg zerstörter bzw. nach Böhmen ausgelagerter Archive nach 1632 ab. Ob die als Schwarzenbergische Schultheißen genannten Eberhart Bernhard (1666), Johann Georg Michel (1709) und Johann Jacob Knorr (1715) tatsächlich mit dem Amtshaus in Beziehung stehen, erscheint eher unwahrscheinlich. Gewissheit kehrt erst wieder mit dem 1792 erwähnten

Johann Paulus Full ein. 1811 gehörten zum prächtigen Anwesen laut Akten nur bescheidene 18,5 Morgen Land, also rund fünf Hektar. Offenbar waren es nun eher Häcker als Bäcker, die auf dem einstigen Amtshaus saßen.

 

Im Museum

Am Ende drohte dem einst stolzen Anwesen am alten Standort der Einsturz, nachdem es lange Zeit unbewohnt gewesen war. Im intensiv umgebauten Erdgeschoss war bereits mit Bad und WC die neue Zeit eingekehrt, das Obergeschoss dagegen kaum verändert, nur die Stube hatte um 1960 einen Teil der Vertäfelung verloren. Für das Museum aber bedeutete die Übernahme des Amtshauses aus Oberbreit eine enorme Bereicherung – sowohl vom Haustyp wie von seinem geschichtlichen Hintergrund her. Das massive Mauerwerk ebenso wie das Fachwerk wurden in großen Wandteilen geborgen, so dass ein Großteil der originalen Putze und Anstriche nach dem Wiederaufbau untersucht werden konnte – glücklicherweise, da erst jetzt die einstige flächenhafte Quadermalerei in Resten ans Licht kam. Sie wurde rekonstruiert, denn im Museum zeigt das Haus den Zustand des 16. bis 18. Jahrhunderts. Daher wurde im Erdgeschoss auch die große Durchfahrtshalle wieder hergestellt, in der eine mächtige Kelter steht – eine Leihgabe des Mainfränkischen Museums in Würzburg.

 

Rekonstruktionen

Lange war unklar, welche Bedeutung der seitlich abgeteilte Raum im Erdgeschoss einst hatte. Nachdem aber inzwischen bekannt ist, dass das Haus wohl schon zur Bauzeit ein Bäckeranwesen war, scheint eine Backstube mit Verkaufsraum mehr als plausibel; immerhin verweisen darauf auch Ruß- und Kaminspuren. Möglicherweise war sogar an der Stelle des Fensters neben der Toreinfahrt einst eine Bäckerauslage mit Tisch vorhanden, wie sie in Obernbreit noch heute an drei einstigen markgräflichen Bäckeranwesen zu finden sind. Auch andere Baudetails mussten nach Vorbildern rekonstruiert werden. Die kraftvolle Blocktreppe ins Obergeschoss stammt aus einem 1565 datierten, 1995 umgebauten Gebäude in Bad Windsheim, der vortretende Giebelschopf und die Fenster der Stube (deren Vertäfelung zu einem Drittel ergänzt werden musste) wurden ebenfalls nach Windsheimer Vorbildern der gleichen Zeit gestaltet. Die hochgelegene Altane zum Hof zu, auf der sich der »Abtritt« (Plumpsklo) befindet, ließ sich dagegen nach den vorhandenen Anhaltspunkten sicher rekonstruieren.


Bilder


Bilder vom Ursprung


Summary (English)

The Amtshaus (municipal building) from Obernbreit near Kitzingen was built in 1554 (date of inscription), altered in 1571 (as determined from tree ring analysis on the upper floor), and again in 1588. The lower floor of the large, two-storey building features painted stone walls, while the upper floor is a richly decorated timberframe construction. It was the home of the 'Dorfschultheiss' - the village official appointed by the Count of Schwarzenberg. In addition to his official duties, representing the Count's interest within the village community, the Schuldheiss was still a farmer too, so the Amtshaus served both as municipal office and farmhouse. Nevertheless, the living room on the top floor with its elaborate panelling and fluted pilasters clearly reflects the status of its owner - who was also the village baker (the bakery is on the ground floor).


Zugänglichkeit

Insgesamt:Note: 3

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