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Bauernhaus aus Kleinrinderfeld

Mainfranken - Frankenhöhe

Beim Bauernhaus aus Kleinrinderfeld (1779) ist ein schlichtes, verputztes Wohnstallhaus. Beeindruckend ist seine vollständig erhaltene Einrichtung, die weitgehend der Zeit um 1900 entstammt: Küchengeschirr, Wäsche, die Aussteuer der letzten Bewohnerin, Vorhänge, Bilder uvm. haben das 20. Jahrhundert nahezu unverändert überstanden.


Eckdaten

Hausnummer:45
Ursprung:Kleinrinderfeld, Landkreis Würzburg
Bauepoche:1779 (Inschrift, Jahrringdatierung, archivalischer Hinweis)
Ausstellung:um 1940
Konstruktionsmethode:zweigeschossiger, verputzter Fachwerkbau, im Erdgeschoss z. T. massiv erneuert, Satteldach mit Biberschwanz-Einfachdeckung
Abbau:1995-1996
Aufbau:1997-2002
Baugruppe: Mainfranken - Frankenhöhe
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Besonderheiten

Anno 1779: Die Anfänge des Simonshofs

Der Simonshof, benannt nach Simon Borst, einem früheren Hofbesitzer, lag im Osten Kleinrinderfelds und zwar in Hanglage an der Straße nach Geroldshausen. Die Hofgeschichte lässt sich bis in die Erbauungszeit des Wohnstallhauses zurückverfolgen. Um 1780 weist das Lehenbuch des Hochstifts Würzburg ein wohnhäuslein, ein Stall, ein scheuern, ein baumgarten als Teil eines Großhoflehens neu aus. Das Baudatum des Wohnhauses ist somit mehrfach abgesichert, denn auch die dendrochronologische Untersuchung sowie eine Inschrift an der Ecksäule des traufseitigen Fachwerkgefüges weisen 1779 als Baujahr aus. Auf einen Vorgängerbau, vielleicht nur ein einzelnstehender Keller, verweisen eine Baufuge im jetzigen Gewölbekeller und das Kellerportal mit der allerdings nach innen gewandten Jahreszahl 1581.

 

Wohlhabende Bauern: Familie Scheuermann/Borst

Als erster Bewohner wird in den Archivalien des Hochstifts Würzburg Philipp Scheuermann genannt, nachfolgende Einträge lauten auf Caspar Scheuermann und Peter Borst. Letzterer war mit der Familie Scheuermann weitläufig verwandt und erwarb die mittlerweile um ein kleines Anschlussgrundstück erweiterte Hofstelle um das Jahr 1830. Peter Borst besaß bereits einen in der Ortsmitte gelegenen Hof mit etwas über 8 ha Grundbesitz, so dass er nun mit zusätzlichen 29 ha Wirtschaftsfläche zu den wohlhabendsten Bauern am Ort zählte. Ab dem Jahre 1871 konzentrierten sich Leben und Arbeiten der Familie Borst allein auf den Simonshof, der in jenem Jahr kurzzeitig einem Salomon Stern gehörte. Es blieb die einzige kurze Unterbrechung der langen Besitztradition der Familie Scheuermann/Borst bis zur Übernahme des Ensembles durch das Freilandmuseum.

 

Ein stolzer Hof

Der Simonshof blieb einer der größten landwirtschaftlichen Betriebe im Dorf, zur Zeit von Adam Borst (1878–1930) belief sich der Grundbesitz auf 22 bis 25 ha in den besten Lagen. Zum Hof gehörten damals ungefähr vier Kühe, vier bis sieben Kälber, zwei bis drei Rinder, zwei Ochsen, zwei bis drei Pferde, einige Schweine, Stallhasen, Hühner, Truthähne, Enten, Gänse, Tauben (in einem Verschlag im Dach des Hauses) und auch ein Hofhund, dessen Hundehütte unter der Treppe zum Futterboden des Pferdestalls gestanden hat. Hoch war auch der technische Standard der landwirtschaftlichen Geräte (Getreidebinder, Beizmaschine, Heuwender, Grasmäher, Pferderechen, Obstmühle, Kelter), von denen ein Teil bereits elektrisch betrieben worden ist (1922 erhielt Kleinrinderfeld einen Anschluss ans Stromnetz). Neben Kastenwagen für Rüben und einem Leiterwagen besaß die Familie auch eine Kutsche – einen sog. Jagdwagen – und einen großen Schlitten. Ein Fahrrad konnte der Hofbesitzer ebenso sein Eigen nennen, auch hier soll es sich um das erste Exemplar in Kleinrinderfeld gehandelt haben.

 

Der Zweite Weltkrieg und seine Folgen

Nach dem Tod von Adam Borst im Jahre 1930 übernahm der erst 19-jährige Sohn Hermann das Anwesen und es schien nicht schlecht bestellt zu sein um die Zukunft des Simonshofes. Doch es kam anders: Die Einberufung Hermann Borsts zum Kriegseinsatz im Zweiten Weltkrieg bedeutete einen schweren Schlag, auf dem Hof fehlte der Hauptverantwortliche und zudem einer der wichtigsten Arbeitskräfte. Ausgeglichen wurde dieser Verlust durch den Einsatz von »Zwangsarbeitern«, Kriegsgefangene, die vom nationalsozialistischen Regime zu landwirtschaftlichen oder industriellen Arbeiten gezwungen wurden. Ein belgischer und ein französischer Gefangener wurden dem Simonshof zugeteilt, auch eine Polin hat im Haus mitgeholfen. Anfangs übernachteten sie noch in einem Wohnlager an der Straße nach Kist, später wohnten sie im Obergeschoss des Simonshofes.

 

Ein Hof ohne Bauer

Hermann Borst kam aus dem Krieg nicht mehr zurück, er blieb in Russland vermisst. Dies war der Anfang vom Ende des landwirtschaftlichen Betriebes auf dem Simonshof. Nach dem Krieg wurde die bäuerliche Arbeit noch eine Weile von einem Breslauer Flüchtling ausgeführt, der mit seiner Mutter und einem Kind auch in dem Haus wohnte und nebenbei auf dem Hof einen Pferdehandel betrieb. Doch 1953 war es damit auch vorbei, der Hof wurde aufgegeben. Fortan lebten nur noch die Mutter des kriegsvermissten Hofbesitzers, Elisabeth, mit ihrer unverheiratet gebliebenen Tochter Hildegard Borst auf dem großen Hof, die Felder wurden an Bauern im Dorf verpachtet. Nach dem Tod der Mutter 1959 wohnte die Tochter schließlich alleine im Haus, bis zu ihrem Tod im Jahre 1991.

 

Die Zeit steht still

Das Schicksal ihres Bruders hat die einst lebenslustige Hildegard Borst nur schwer verwinden können. Noch in den 1960er Jahren rechnete sie fest mit seiner Rückkehr und verband damit die Hoffnung auf die Fortsetzung der Hofbewirtschaftung. Dieser Glaube an die Rückkehr des Bruders war ein Grund dafür, dass sie im Haus keine Veränderungen duldete und das Inventar nicht veräußerte. Erst sehr spät und aufgrund bürokratischer Zwänge hat sie den Bruder für tot erklären lassen. Von den Nachbarn und verwandten wird Hildegard Borst als äußerst sparsam und absolut bedürfnislos beschrieben, obwohl sie mit den Pachteinnahmen finanziell nicht schlecht gestellt war. Sie verkaufte nichts und blieb bis zu ihrem Tod – von den Dorfbewohnern und der Verwandtschaft mit Verständnislosigkeit quittiert – in ihrem ofenbeheizten und ohne jeglichen sanitären und sonstigen Komfort ausgestatteten Haus.

 

Ein Glücksfall für das Freilandmuseum

Die zurückgezogene und spartanische Lebensweise der letzten Bewohnerin konservierte die Vergangenheit in beeindruckender Weise: Ein Haus, dessen Wohnstandard den 1920er Jahren entsprach, ohne sanitäre Anlagen, ohne Heizung, bis 1991 noch mit Deutschem, d. h. offenem Kamin. Der Großteil der Räume besaß bis zum Schluss eine Einrichtung, die weitgehend der Zeit um 1900 entstammte, und das in einer beeindruckenden Unversehrtheit. Auch Inventar war noch zahlreich vorhanden: Küchengeschirr, Trachten, Wäsche, die gesamte Aussteuer der letzten Hausbewohnerin, Backutensilien, Bilder, Vorhänge, Chromlithographien mit religiösen Motiven etc. – ein einmaliger Glücksfall für das Freilandmuseum!


Beschreibung

Typischer Hof des Ochsenfurter Gau

Im Museum repräsentiert der Simonshof aus Kleinrinderfeld einen Haustypus, den man als durchaus exemplarisch für den Ochsenfurter Gau bezeichnen kann. Im vierzonigen Grundriss des Erdgeschosses befindet sich links des Flurs die Stube mit reichen, mehrschlägigen Schablonierungen, dahinter eine Schlafkammer. An die hinter dem Flur liegende Küche schloss sich an der Traufseite bis 1958 ein Back- und Dörrhaus an, das an die 25 Laib Brot fassen konnte. Dieser Anbau ist – ohne Backofen – im Museum wieder ergänzt worden. Unter der Wohnzone liegt der Gewölbekeller, hier lagerte vor allem der selbst hergestellte Most. Von der Küche gelangt man in einen noch nach 1945 als Brennerei genutzten Raum, der vielleicht früher als Milch- oder Futterkammer gedient haben mag. Rechts des Flurs erstreckt sich über zwei Zonen der Stall.

 

Gute Stube im Obergeschoss

Das Obergeschoss besteht aus der in der Regel unbewohnten Guten Stube: In ihr stehen, zuletzt am alten Standort zum Schutz meist durch Tücher abgedeckt, die von Elisabeth Borst in die Ehe gebrachten besten Möbel zur Zierde und zum Vorzeigen. Die zahlreichen Kammern des Obergeschosses, durch einen L-förmigen Flur erschlossen, dienten überwiegend als Schlafkammern für die Familienangehörigen und im Zweiten Weltkrieg für die Zwangsarbeiter. Die Räume wurden nach dem Krieg auch von einer Flüchtlingsfamilie genutzt, die für einige Jahre die Felder des Anwesens gepachtet hatte.


Bilder


Bilder vom Ursprung



Summary (English)

The Bauernhaus (farmhouse) from Kleinrinderfeld near Würzburg was built 1779, as per its inscription. It is a simple rendered 'Wohnstallhaus' (byre-dwelling) with stable and house in the same building. Notable, however, are the furnishings, which date mostly from around 1900 and are remarkable in their completeness and excellent conidition: traditional clothing and linens, the last inhabitant's dowry, curtains, crockery, pictures, chromolithographs with religious motifs, and many other items that have lived through the entire 20th century virtuall unchanged.


Zugänglichkeit

Insgesamt:Note: 3
  • Eingangsbreite: 88 cm
  • Eingangsschwelle: 12 cm (mit Rampe)
  • Zugang zum Hofgelände über Rampe am Hoftor
  • Stalltür: Breite 104 cm, Schwelle 7 cm
  • OG nur zugänglich über Treppe mit 15 Stufen und Geländer
  • Innenräume mit niedrigen und auch hohen Schwellen, deshalb sind einige Räume nur einsehbar
Fotoaufnahme des Haupteingangs vom Bauernhaus aus Kleinrinderfeld am aktuellen Standort. Die Tür ist nach innen geöffnet, vor der Schwelle liegt eine Rampe aus Holz. Links neben der Tür befindet sich ein hölzernes Gatter, rechts ein Reisigbesen und ein kleines Fenster.
Fotoaufnahme des Eingangs zum Stall aus Kleinrinderfeld am aktuellen Standort. Die Holztür ist nach außen geöffnet, davor ist ein schmaler Weg aus Steinplatten erkennbar. Vom unterhalb liegenden, aber nicht mit fotografierten, Misthaufen rankt sich wilder Wein hinauf zum Weg.
Fotoaufnahme des Hofzugangs zum Bauernhaus aus Kleinrinderfeld am aktuellen Standort. Die in eine Mauer eingelassene Holztür ist nach innen geöffnet. Vor der Schwelle liegt eine Rampe aus Holz, links und rechts davon blühen verschiedenen Wildblumen. Die Stalltür im Inneren ist ebenfalls offen.

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