



Wiederaufbau der Synagoge aus Allersheim
Jüdisches Leben im ländlichen Franken
Im Jahr 2020 begann der Wiederaufbau der Synagoge aus Allersheim im Fränkischen Freilandmuseum. 1742/43 erbaut, diente sie über 100 Jahre lang als Multifunktionsbau: als Wohnhaus des Rabbiners, als Versammlungsort für Gottesdienste und mit der Mikwe auch als Ort des jüdischen Ritualbads. Die jüdische Gemeinde stellte zu Hochzeiten fast ein Drittel der Bewohner von Allersheim, löste sich ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts jedoch auf. Ab 1911 befand sich die Synagoge in bäuerlichem Besitz.
Vor Ort bestand keinerlei Erhaltungsperspektive für das Gebäude. Weitere Gründe für die Übernahme waren ihr Seltenheitswert und ihre große historische Aussagekraft zum typischen Raumprogramm einer Landsynagoge. Ab 2023 schließt die Synagoge im Fränkischen Freilandmuseum mit der Repräsentation des für die fränkische Kulturgeschichte so wichtigen Landjudentums eine inhaltliche Lücke.
Wohnung und Betsaal – die innere Gliederung der Synagoge
Die Erschließung des Gebäudes erfolgt traufseitig über ein Podest mit Freitreppe. Grund dafür ist das relativ hochstehende Kellergeschoss. In dem schmalen Keller befindet sich auch die Mikwe der Synagoge, ein mit Sandsteinquadern gefasstes Becken, das am Altstandort immer ausreichend mit Grundwasser gefüllt war.
Das Erdgeschoss befindet sich die sogenannte „Rabbinerwohnung“, in der im Wechsel sowohl der Vorbeter und Gemeindevorsteher als auch Friedhofswärter und später Rabbiner gewohnt haben. Sie gliedert sich in einen Flur, eine Küche und eine Wohnzone mit Stube und Kammer. Hinweise auf die ehemaligen jüdischen Bewohner sind dort nicht zu erkennen, abgesehen vom Abdruck einer Mesusa (Kapsel mit Schriftrolle, die das Gebet „Höre Israel“ enthält) am rechten Türpfosten der Eingangstür. Interessant ist der Aufbau der Küche: Die Schlotöffnung befindet sich nicht direkt über dem Herd, sondern in der Raummitte. Dies erklärt sich mit der Schlotführung durch das Obergeschoss, die den dortigen Betsaal nicht „stören“ durfte.
Die Treppenanlage beansprucht relativ wenig Raum im Haus, da sie in einen Anbau integriert ist, der dem Gebäude einen L-förmigen Grundriss verleiht. Im Obergeschoss entsteht dadurch ein zusätzlicher Raum, im Erdgeschoss blieb Platz für einen Abgang zur Mikwe im Keller. Dieser Abgang ist nicht mehr vorhanden; der Keller wird durch einen eigenen Zugang von außen erschlossen.
Einmal im Obergeschoss angekommen, sind die Synagogenbesucher zunächst in einen großzügigen Vorraum gelangt, von dem aus der Betsaal und die darin befindliche Frauenabteilung erreichbar waren. Die Funktion des genannten zusätzlichen Raums ist noch nicht geklärt – möglicherweise wurde er als eine Art Schulzimmer, Bibliothek oder als Gastraum für Durchreisende genutzt.
Ganzteile und Rekonstruktion – der Wiederaufbau
Nach Abschluss der Betongründung inklusive der in ihr vorgesehen Aussparung für die eingetiefte Mikwe im zukünftigen Keller, konnten noch vor dem Winter 2020/21 die ersten massiven Bruchsteinwände als originale Bauteile des Erdgeschosses aufgestellt werden. Im Mai 2021 wurden alle für das Erdgeschoss der Synagoge relevanten Fachwerkwände inklusive ihrer Deckenelemente in ihre vorgesehene Position gebracht. Hierzu zählten sowohl die originalen Wandscheiben als auch die rekonstruierten Fachwerkbauteile der östlichen und südlichen Außenwände. In der Folgezeit wurden die Wandteile für das Obergeschoss vorbereitet und aufgesetzt. Ziel war, noch bis Weihnachten 2021 die Synagoge unter ihrem eigenen Dach gegen Wettereinflüsse schützen zu können.
Forschungsprojekt und Dauerausstellung zur jüdischen Gemeinde in Allersheim
Das Freilandmuseum möchte die religiöse und multifunktionale Nutzung des Gebäudes als „Gemeindezentrum“ für die Besucher wieder sichtbar machen. Die Ausstellung behandelt zunächst die Bau- und Nutzungsgeschichte der Synagoge, auch im Kontext anderer ländlicher Synagogen. Im Mittelpunkt steht eine zurückhaltende Teilrekonstruktion des Betsaals.
Ein weiterer Schwerpunkt ist die Rekonstruktion ausgewählter Biografien von ehemaligen Allersheimer Jüdinnen und Juden und deren Nachfahren. Sie basieren auf einem umfassenden Datensatz, der im Zuge eingehender Archiv- und Quellenrecherchen ausgehoben wurde. Auch das Friedhofsbuch sowie die Geburten-, Sterbe. und Eheregister wurden ausgewertet.
Darauf aufbauend werden weitere religiöse und kulturelle Themen aus dem Alltag der jüdischen Landgemeinden herausgegriffen und präsentiert. In diesem Zusammenhang werden u. a. das rituelle Tauchbaden, die Ausstattung jüdischer Haushalte im Vergleich zur bäuerlichen Stube, das Leben und Wirken von Rabbinern auf dem Land, die Speisegesetze und ihre Bedeutung für das Alltagsleben oder die Tora als liturgischer Kern des Judentums thematisiert.
Fachliche und gestalterische Impulse zur Konzeption und Umsetzung der Dauerausstellung geben Expertinnen und Experten aus entsprechenden Einrichtungen, etwa den Jüdischen Museen aus der Umgebung oder der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern.
Bautagebuch Synagoge aus Allersheim
Biographien zur Synagoge aus Allersheim
Das Jahr 2020 markiert den Beginn des Wiederaufbaus der Synagoge aus Allersheim im Fränkischen Freilandmuseum. An dieser Stelle berichtet unser wissenschaftlicher Volontär Jonas Blum im zweiwöchentlichen Rhythmus über die Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Allersheims sowie deren Nachkommen. Es kann sich dabei sowohl um jüdische Menschen handeln, die selbst in Allersheim geboren wurden oder gelebt haben als auch um deren Nachkommen. Dadurch bietet sich die Möglichkeit, nicht nur Einblicke in die Nutzungszeit der Synagoge zu erhalten, sondern auch zu verfolgen, welchen Weg die jüdischen Familien Allersheims von dort aus genommen haben. Die Wiedereröffnung der Synagoge wird nicht vor 2022 erfolgen. Die hier zugänglich gemachten Biografien stellen immer nur den aktuellen Forschungsstand dar. Es ist gut möglich, dass es uns im Laufe der Zeit gelingt, noch mehr über einige der Personen zu erfahren. Das Fränkische Freilandmuseum hat in einer umfangreichen Recherche über 1000 solcher biografischer Skizzen zusammengetragen, die ein Rückgrat der kommenden Dauerausstellung in der Synagoge Allersheim bilden werden.
The year 2020 marks the beginning of the reconstruction of the Allersheim Synagogue within the Franconian Open Air Museum. On this site our researcher Jonas Blum will present one selected biography of members of the Jewish community of Allersheim as well as their descendants every two weeks. The presented can be both Jewish persons who were born or lived in Allersheim or their descendants. This creates an opportunity to not only gain insights into the time of use of the Synagogue but also learn, which paths the Jewish families of Allersheim took from there. The official opening of the Synagogue will not take place before 2022. The biographies presented here are never more than the current state of research. It is well possible that we are able to complete some of them further within the following months and years. The museum is currently performing research on more than 1200 of these biographies that will be one backbone of the permanent exhibition within the Synagogue.
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